8.Ängste+9.Schatten

Das achte Tor




Sieh deinen Ängsten ins Auge



Angst ist ein wunderbarer Diener, aber ein furchterregender Meister. Genau wie der Schmerz kann sie dich warnen und dir gute Ratschläge mit auf den Weg geben, aber sie kann dein leben auch überschatten od einschränken. Die Angst verbirgt sich hinter den verschiedensten Masken – sie sagt zB: „Eigentlich interessiert mich das gar nicht!“ od „Warum soll ich mir die Mühe machen?“ od „Das kann ich nicht“. Du wirst Tag für Tag mit deinen Ängsten konfrontiert – der Angst zu versagen, zurückgewiesen zu werden od auch nur du selbst zu sein. Aber deine Ängste sind keine Mauern, sondern nur Hürden. Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern seine Ängste zu besiegen.



Das Leben des friedvollen Kriegers

(Siehe DanMillmans Bestseller: Der friedvolle Krieger)



Viele unserer Ängste sind dünn wie Seidenpapier,

schon ein einziger mutiger Schritt könnte uns durch sie hindurch tragen.

BrendanFrancis



Landkarte:

Eine Entdeckungsreise durch den dunklen Wald deiner Ängste



Jetzt beginnt die letzte Etappe deines Aufstiegs zum Gipfel: durch den Wald deiner Ängste und das Schattenland, das dahinter liegt. Oben auf dem Gipfel wartet die Belohnung auf dich: ein erwachtes Herz und der Aufruf zum Dienst an der Welt – denn das ist der vollkommene Ausdruck der Erleuchtung im Alltag.



Wie oft wir dir bewusst, dass du Angst hast? Die meisten Menschen berichten nur von Ängsten in dramatischen Gefahrensituationen: beim Knurren eines Hundes, beim Quietschen von Bremsen auf der Autobahn od in den letzten bangen Sekunden vor einer wichtigen Präsentation. Doch die angst begleitet uns tagtäglich in subtiler, kaum spürbarer Form. Unsere Seele mag unsterblich sein; aber wir sind nun einmal auch physische Geschöpfe, die Schmerzen und Verletzungen erleiden od sterben können, die peinlichen Situationen ausgesetzt sind, versagen, sich schämen od sich zurückgewiesen fühlen. Solche Urängste nagen am Fundament fast aller unserer Bemühungen. Ich hätte das Tor auch an den Anfang meines Buches stellen können; aber Angst kann ein so furchterregender Gegner sein, dass du schon die ganze Kraft brauchst, die du an den bisherigen Toren gesammelt hast, um dich auf diese Auseinandersetzung vorzubreiten.



Beim letzten Tor hast du gelernt, deine Gefühle – zu denen natürlich auch die Angst gehört – als etwas Natürliches zu akzeptieren. Aber da Angste eine so hemmende (ja sogar zerstörerische) Wirkung auf unser Leben haben kann, die uns häufig gar nicht zum Bewusstsein kommt, möchte ich in einem gesonderten Kapitel darauf eingehen, wie man sich mit seinen Ängsten auseinandersetzt und sie überwindet.



Die Angst ist nicht nur dein Feind, sondern gleichzeitig auch dein Führer und Berater. Es ist ganz normal und richtig – ja sogar ein Zeichen von Vernunft – dich in physischen Gefahrensituationen von deiner Angst leiten zu lassen, denn in solchen Situationen könnte mangelnde Aufmerksamkeit od Sorglosigkeit eine Verletzung od gar den Tod bedeuten.



Aber solche Augenblicke physischer Gefahr sind zum Glück selten. Deine wichtigsten Kämpfe mit der Angst finden nicht in der Aussenwelt statt, sondern in deinem eigenen Inneren – in den Abgründen deiner Psyche, auf dem Kampfplatz des seelischen Überlebens und düsterer Schreckensphantasien, wo die Angst chamäleonartig ihre Gestalt wechselt und die verschiedensten Formen annimmt: Selbstzweifel, Unsicherheit, mangelndes Selbstvertrauen, Schüchternheit, Hemmungen – eine Scheu davor, dich durchzusetzen, dich auszudrücken od auch nur du selbst zu sein. Welche Gestalt auch immer die Angst bei dir annehmen mag – deine Bereitschaft, dich offen und ehrlich mit ihr auseinanderzusetzen, entscheidet über dein Schicksal im erhabenen Reich der menschlichen Möglichkeiten. Ob die Angst dein Freund od dein Feind ist, hängt davon ab, ob du ihr Meister od ihr Diener wirst. Dieses Tor bietet dir dich Chance, dich deinen Ängsten entgegenzustellen und entschlossen in das Leben hinauszutreten, zu dem du geboren wurdest.



Bei den bisherigen Toren ging es hauptsächlich um Gewahrsein, Erkenntnis und die richtige Perspektive. Doch deinen Ängsten kannst du am besten durch Handeln gegenübertreten. Deshalb stehen im Mittelpunkt dieses Kapitels ein paar ganz spezielle Übungen – Dinge, die du tun kannst.



Eine einzige mutige Handlung zieht andere nach sich. Solche Augenblicke – solche kleinen Entscheidungen – prägen dein Leben und inspirieren andere Menschen dazu, dir nachzueifern. Willkommen am 8.Tor, deiner Initiation ins Reich des friedvollen Kriegers!



An diesem Tor wirst du



 Lernen deine Ängste zu lokalisieren

 Beim Stecknadeltest deine persönliche Stunde der Wahrheit erleben;

 Deinen Selbstzweifeln ins Auge sehen und sie überwinden

 Eine Methode erlernen, wie du seinen Körper direkt von Ängsten befreien kannst, di in bestimmten Körperbereichen als Spannungen angestaut sind.



Lerne deinen Gegner kennen



Ein Freund rief mich kürzlich an und erzählte mir, dass er eine Mutprobe in einem Kurs nicht bestanden habe. Dabei musste er auf einen Telegraphenmast klettern, sich aufrecht hinstellen und dann zu einem ungefähr anderthalb Meter entfernten Trapez hinüberspringen. Zwar war er dabei angeseilt, trotzdem war es keine leichte Aufgabe. „Nicht bestanden – was heisst das?“ fragte ich ihn. „Bist du nicht bis zur Spitze des Mastes gekommen?“. - „Doch, doch, ich bin ganz bis oben hinaufgeklettert“, antwortete er. - „Dann konntest du wahrscheinlich nicht aufrecht balancieren – du bist heruntergefallen?“ vermutete ich. - „Auch nicht.“ - „Also hast du das Trapez verfehlt?“ - „Nein, nein, das Trapez habe ich schon erwischt“, versicherte er mir. „Ich habe die Mutprobe nicht bestanden. Ich wollte doch meine Angst überwinden. Aber ich habe während dieser ganzen Mutprobe Todesängste ausgestanden“. – Walter hatte nicht begriffen, wie man seine Angst bekämpft.



Du kannst Angst nicht unter Kontrolle bringen, indem du dich zwingst, dich nicht zu fürchten. „Alle stellen sich jetzt keinen rosaroten Elefanten vor!“ und was machen alle? Sie sehen einen rosaroten Elefanten. Diesen Feind kannst du nur besiegen, indem du ihn zu deinem Diener und Ratgeber machst und ihn niemals dein Meister werden lässt. Angst kann dir nie deine Macht nehmen; die Gefahr besteht vielmehr darin, dass du ihr deine Macht kampflos überlässt.



Erfolgsgeheimnis eines Stuntmans



Dar war mein Jugendfreund, der später ein Stuntman wurde. Jedesmal, wenn Dar für einen neuen Fallschirm-Stunt od waghalsigen Sprung probte, rezitierte er vorher ein Mantra, immer lauter und immer schneller: „I…chi…diot…I…chi…diooot…ICH IDIOT!“ – Manche hielten Dar für ebenso verrückt wie furchtlos – doch in Wirklichkeit war er weder das eine noch das andere. Er hatte lediglich ein Geheimnis, das er vor vielen Jahren gelernt hatte: DarRobinson einer der waghalsigsten Teufelskerle des 20.Jahrhunderts, stand bei jedem seiner Stunts Todesängste aus. Sein Herz klopfte zum Zerspringen; er musste sich zwingen, nicht so hastig zu atmen, und schwitze und zitterte genau wie wir alle – und dann tat er, was er sich vorgenommen hatte. Das können auch wir – du und ich – in unserem täglichen Leben tun.



RalphWaldoEmerson hat einmal geschrieben: „Tue, wovor du Angst hast, und deinen Angst wird sterben.“ Weise Worte, aber leider völlig falsch. Die Angst stirbt niemals, vielleicht verschwindet sie nicht einmal. Und wenn sie doch verschwinden sollte, so kann sie jederzeit wieder auferstehen und dir an der nächsten Strassenecke hämisch entgegen grinsen. Deine Aufgabe besteht darin, nicht auf den Tod deiner Angst zu warten, sondern ihr die Stirn zu bieten, solange du lebst.



Die Anatomie der Angst



Die Symptome der Angst zu begreifen – zu wissen, was für physische Empfindungen du hast, wenn du dich fürchtest – kann dir zwar helfen, besser mit ihr fertig zu werden, so wie ein Hintergrundwissen über den physischen Vorgang der Geburt vielen Frauen hilft, die mächtigen, rhythmischen Wellen, die ihren Körper dabei erschüttern, besser zu verkraften. Dieses Wissen glättet die Wogen zwar nicht, hilft uns aber, die Segel richtig zu stellen, alle Luken zu schalken und den Sturm tapfer zu überstehen



Bei einer kleinen Angst – einer vagen Besorgnis, Befürchtung od Nervosität – wirst du die Symptome wahrscheinlich kaum spüren: eine leichte Veränderung deiner Atmung, ein unmerkliches und unbemerktes Ansteigen der Muskelspannung in ganzen Körper od in bestimmten Körperbereichen, ein Stirnrunzeln und gewisse typische Gesten der Nervosität – du beisst dir auf die Lippen od beisst die Zähne zusammen. Doch wenn du eine Situation als akute Gefahr od Bedrohung empfindest, werden chemische Botenstoffe wie Adrenalin und Glukose in deinen Blutkreislauf ausgeschüttet, um deine Muskeln zu stärken und dich darauf vorzubereiten, der Gefahr ins Auge zu sehen, zu kämpfen od zu fliehen. Vielleicht wird dein Mund dann trocken. Dein Herz schlägt schneller. Du atmest sehr rasch od flach od hältst sogar vorübergehend ganz den Atem an. Angst ist eine unangenehme psychische Empfindung. Das soll sie auch sein, genau wie der Schmerz eine unangenehme physische Empfindung ist – beide wollen deine Aufmerksamkeit wecken. Aber manchmal musst du ertragen, was dir Schmerzen bereitet, und tun, was dir Angst einjagt.



Die verschiedenen Schichten der Angst



Eigentlich hast du gar keine Angst davor, eine Rede zu halten, in aller Öffentlichkeit ein Lied zu singen, eine Prüfung zu absolvieren, eine Tarantel über deinen Arm krabbeln zu lassen od aus einem Flugzeug zu springen. Was dir Angst macht, sind vielmehr deine eigenen Schreckensphantasien, was dabei alles schief gehen könnte: Vielleicht vergisst du den Text deiner Rede, singst falsch, fällst durch die Prüfung, wirst von der Spinne gebissen od vergisst, den Fallschirm zu öffnen. Und im Grunde fürchtest du dich nicht einmal vor diesen Ereignissen selbst, sondern vor ihren emotionalen od physischen Konsequenzen – der Blamage, dem beschämenden Gefühl, eben doch nur mittelmässig zu sein, Schmerzen od dem Tod. Und immer malst du dir das Schlimmste aus.



Wenn du das Wort „Kreuzfahrt“ erwähnst, werden mache Menschen sich dabei vielleicht festliche Mahlzeiten am Kapitänstisch, fröhliche Gesellschaftsspiele an Deck od einen malerischen Sonnenuntergang vorstellen, während ängstliche Naturen sofort an den Untergang der Titanic denken. Das gleiche gilt für ein Camping im Wald – manche Menschen malen sich bei diesem Gedanken eine herrliche Aussicht, ein gemütlich knisterndes Lagerfeuer und einen sternenübersäten Himmel aus, andere denken an Schlangen, Insekten und Bären. Wie du inzwischen schon weißt, prägt deine Erwartungshaltung dein Leben: Wenn du immer nur das Schrecklichste erwartest, wird auch dein Leben schrecklich sein. Eines der Erfolgsgeheimnisse im Kampf gegen deine Ängste besteht also darin, dir stets vorzustellen, dass alles positiv ausgeht – dir die Bilder vor Augen zu halten, die du dir ersehnst, statt dich auf die Schreckensvorstellungen zu konzentrieren, die deine Angst dir eingibt.



Wann man auf seine Angst hören sollte – und wann nicht



Ich wurde schon oft gefragt, woher man denn eigentlich wissen kann, wann man auf seine Angst hören und wann man lieber versuchen soll, sie zu überwinden. Als allgemeine Faustregel gilt: Wenn es sich um eine physische Gefahr handelt, lass dich von deiner Angst leiten und breite dich sorgfältig auf die betreffende Situation vor – od gehe von vornherein keine unnötigen Risiken ein. Doch wenn die Bedrohung nur in deiner Psyche existiert – wenn du zB Angst davor hast, dich zu blamieren, blossgestellt od zurückgewiesen zu werden – dann solltest du dagegen ankämpfen.



Physische Ängste sind etwas sehr Direktes, Objektives, Realistisches. Wenn beim Fallschirmspringen etwas schief geht (was allerdings ziemlich unwahrscheinlich ist,) läufst du Gefahr, dich zu verletzen od gar zu sterben. In solchen Situationen rät deine Angst dir, Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen



Psychische Ängste hingegen haben eher indirekten, subjektiven, symbolischen Charakter. Die Welt geht nicht unter, wenn du den Text deiner Rede vergisst, beim Singen nicht immer den richtigen Ton triffst od durch eine Prüfung fällst – dabei besteht keine Lebensgefahr und auch nicht das Risiko einer physischen Verletzung. Wenn du deine Psyche ergründest, wirst du ausserdem feststellen, dass du dich eigentlich gar nicht vor dem Versagen selbst fürchtest, sondern davor, was dieses Versagen für dich bedeutet: Dein seelisches Überleben ist in Gefahr. Es ist die uralte Agnst des Menschen davor, sein Gesicht zu verlieren, zurückgewiesen, verlassen od aus der Gesellschaft ausgestossen zu werden, nichts wert od nur mittelmässig zu sein – ein Scharlatan, ein Idiot.



Test:

Was für eine Beziehung hast du zur Angst?



Die Krieger früherer Jahrhunderte wussten, dass man seinen Feind genau kennen muss, um ihn besiegen zu können. Mache einmal eine Bestandesaufnahme der Ängste, die in deinem Leben eine Rolle spielen, und frage dich, inwieweit sie mit deinen Zielen und Bedürfnissen zusammenhängen:



1. Bist du ein risikofreudiger Mensch?

2. Könnte man dich als ängstlich, schüchtern od unsicher bezeichnen, leidest du an Selbstzweifel?

3. Hast du dir schon einmal bewusst gemacht, wie du mit deinen kleinen Alltagsängsten umgehst?

4. erinnere dich einmal an eine Situation, in der Angst dich davon abhielt, das zu tun, was du wolltest.

5. Und nun erinnere dich an eine Situation, in der du etwas getan hast, obwohl du Angst davor hattest.

6. leidest du unter Phobien?

7. Vor welchen Dingen hast du am meisten Angst?

 Vor dem Versagen?

 Davor, dein Gesicht zu verlieren (Blamage, Beschämung, Spott)?

 Davor, zurückgewiesen zu werden, unzulänglich od nur mittelmässig zu sein?

 Vor Auftritten in der Öffentlichkeit?

 Schmerzen?

 Höhenangst?

 Angst vor Insekten, Tieren/irgendeinem best.Tier?

 Angst vor Menschen?

 Angst vor geschlossenen Räumen?

8. Wenn du einem Kind das Leben retten könntest, indem du das tust, wovor du am meisten Angst hast – würdest du es wagen?

9. Wie könnte dein Leben sich verändern, wenn du deine Ängste überwindest?



Je besser du deine Ängste verstehst, umso mehr Macht gewinnst du über sie. Wenn dein Bewusstsein in eine Angst eindringt, trifft es sie mitten ins Mark und beginnt, sie von innen her aufzulösen. Viele Menschen begreifen nur nicht, was Angst und Mut eigentlich ausmacht.



Wie Ängste dein Leben einschränken können



Wo immer deine Angst auch herkommen mag – wenn du vor ihr davonläufst (so wie viele Menschen emotionalen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen, statt sich dem Problem zu stellen und es zu lösen), erlegst du deinem Leben viele Beschränkungen auf:



 Du wirst zu deinem eigenen Gefängniswärter – du umgibst deine Erlebnisse und Erfahrungen mit Käfigwänden, um Gefahren von dir fernzuhalten; doch letzten Endes sperrst du dich dadurch nur selbst ein.

 Vielleicht scheust du dich auch davor, etwas Neues auszuprobieren, weil du dich nicht inkompetent fühlen od lächerlich machen willst.

 Vielleicht bemühst du dich niemals 100%ig um irgend etwas, damit du dich hinterher mit dem Gedanken trösten kannst: „Wenn ich mir wirklich Mühe gegeben hätte, dann hätte ich es auch geschafft.“

 Es kann sein, dass du Situationen zu vermeiden versuchst, über die du keine Kontrolle hast, weil es dir Angst einjagt, nicht alles unter Kontrolle zu haben.

 Vielleicht hinderst du dich unbewusst selbst am Erfolg, weil du fürchtest, dass er dir nicht die ersehnte Erfüllung bringen könnte – oder dass du hinterher nichts mehr zu tun hast.

 Womöglich sagst du anderen Menschen nicht offen deine Meinung, weil du fürchtest, dass sie dann ähnlich reagieren könnten, was dir unangenehm wäre.

 Vielleicht sagst od signalisierst du deinen Mitmenschen und dir selbst auch: „Ich kann das nicht, weil ich an einer unüberwindlichen Angst leide. Ich habe eine Phobie.“ Das dient dir dann als Erklärung und bequeme Ausrede zugleich.



Phobien und andere psychologische Kategorisierungen



Phobie ist eine hochtrabende psychologische Bezeichnung für eine grosse Angst. Kleine Ängste lösen geringfügige, kaum merkliche physische Reaktionen aus, grosse Ängste hingegen rufen dramatische Reaktionen hervor. Wenn unsere physischen Reaktionen auf Fahrstühle, enge Räume, leere Plätze, Höhen, Hunde, Katzen, Schlangen, Spinnen, Mäuse, Nachtfalter und andere Insekten sehr unangenehm sind, bezeichnen wir sie als Phobien.



Langfristig betrachtet ist es nicht sicher, Gefahren aus dem Weg zu gehen, als sich ihnen zu stellen.

Die Ängstlichen trifft es genauso häufig wie die Tapferen.

HelenKeller



Wir sagen oft „Ich kann nicht“, obwohl wir in Wirklichkeit meinen: „Ich will nicht.“ Manche Dinge können wir tatsächlich nicht – zB auf ein Hausdach springen od einen Rennwagen überholen. Aber unsere Ängste können wir überwinden. Vielleicht ist das ein sehr unangenehmes Gefühl – vielleicht zittern und schwitzen wir dabei, fallen in Ohnmacht od haben grippeähnliche Symptome – aber wir können es.



Einer meiner Freunde hat Angst vor dem Fliegen (das heisst eigentlich vor dem Abstürzen). Sobald er in einem Flugzeug sitzt, bekommt er feuchte Hände, sein Herz fängt an zu rasen, er zittert und hält die Armlehnen so fest umklammert, dass seine Fingerknöchel ganz weiss werden. Manche Psychologen würden wahrscheinlich sagen, dass er an einer Phobie leidet. Doch trotz all dieser Symptome fliegt er Jahr für Jahr Tausende von Kilometern rund um die Welt, weil sein Beruf es erfordert. Seine Angst (Phobie) ist immer noch da. Er hat auch gar nicht versucht, sie zu bekämpfen. Die Menschen, die behaupten, sie könnten nicht fliegen, weil sie unter Flugangst leiden, können in Wirklichkeit nur deshalb nicht fliegen, weil sie sich kein Flugticket kaufen und nicht ins Flugzeug steigen. Mein Freund kauft sich ein Ticket und steigt ins Flugzeug. So kämpft er gegen seine Angst.



Meine Ängste sind immer noch da.

Aber ich lasse mein Leben nicht mehr von ihnen bestimmen.

EricaJong



Deine Angst ist nicht das Problem



Angst ist wie eine harmlose kleine Spinne, die uns erschrocken zusammenfahren lässt, od eine unglückliche Biene, die sich auf unser Lenkrad verirrt hat und die wir deshalb jetzt für unseren Autounfall verantwortlich machen. Das Problem ist nicht unsere Angst, sondern unsere Reaktion darauf – zB die Art, wie wir mit Tieren od Insekten umgehen, vor denen wir uns fürchten. Angst ist das zähnefletschende, in die Enge getriebene Tier in unserem Inneren – der niedrigste gemeinsame Nenner menschlicher Erfahrung. Unsere Angst schlägt die kleine Spinne od Wespe tot. Und unsere Angst ist auch der Sündenbock, dem wir die Schuld geben, wenn wir vor einer intimen Beziehung zurückschrecken od uns auf andere Art und Weise in unser Schneckenhaus zurückziehen.



Trotzdem wollen wir unserer Angst für die Warnungen dankbar sein, die sie uns zuflüstert od zuschreit. Sie ist wie eine überängstliche Mutter, deren Ratschläge wir uns immer anhören sollten; aber wir müssen sie nicht unbedingt immer befolgen. Erweise dem verängstigten Kind in deinem Inneren, das manchmal weise und manchmal töricht, manchmal eine Hilfe und manchmal ein Handikap ist, mehr Respekt als Gehorsam. Schätze deine Angst als warnende Stimme, aber betrachte sie gleichzeitig als Mauer, die du erklimmen, od als Hürde, die du überspringen musst – als eine Herausforderung, einen Aufruf zum Handeln.



Deine Ängste hast du zwar nicht unter Kontrolle, wohl aber deine Reaktion darauf: Du kannst langsamer atmen, deine Gleider ausschütteln und dadurch deine Muskeln entspannen. Du kannst die Angst in deinem Inneren spüren und das, wovor du Angst hast, trotzdem tun. (siehe HarlichStavemann, Im Gefühlsdschungel; Anmerkung des Schreiberlings)



Die Menschen mit den heftigsten Ängsten werden am meisten vom Durchgang durch das 8.Tor profitieren.



Übung:

Wie man seine Ängste durch Zorn überwindet

Meditation zur Angstbewältigung



Ist es dir schon einmal passiert, dass du zuerst Angst hattest und anschliessend wütend wurdest? Was ist dabei passiert? Wenn du dich nicht an eine solche Situation erinnern kannst, versuche dir vorzustellen, was dann geschehen könnte. Vielleicht kommst du dabei zu dem Schluss, dass Wut stärker ist als Angst und dass man durch Zorn seine Angst überwinden und aktiv werden kann. Das ist völlig richtig. Die folgende Visualisierungsübung vermittelt deinem Unterbewusstsein in symbolischer Verschlüsselung eine Methode, wie dein Zorn deine Angst überwinden kann. Wenn du die einzelnen Übungsschritte genau nachvollziehst, wirst du im tiefsten Inneren deiner Psyche eine Verhaltensschablone schaffen, auf die du jederzeit zurückgreifen kannst, wenn du sie im täglichen Leben brauchen solltest.



 Stell dir vor, du hast dein ganzes Leben in einem nur trübe erleuchteten Zimmer verbracht. Draussen wartet ein neues Leben in Freiheit auf dich. Du würdest so gern hinausgehen und intensiver am Leben teilhaben

 Du gehst zum Ausgang und willst gerade ins Freie treten, da taucht eine Gestalt vor dir auf: Herr (od Frau) Angst versperrt dir den Weg nach draussen. Male dir aus, wie Herr od Frau Angst aussehen könnte. Wie ein Elternteil od wie ein Lehrer, ein Fremder, ein Gespenst, ein Ungeheuer, ein Ausserirdischer od ein Clown? Stelle dir diese Gestalt genau vor.

 In dem Augenblick, wo du hinausgehen willst, tritt Herr od Frau Angst vor dich hin und sagt: „Halt! Das kannst du nicht, das darfst du nicht, du wirst es nicht schaffen, es ist zu gefährlich, es geht nicht.“ – Bleibe daraufhin stehen, obwohl es dein sehnlichster Wunsch ist, ins Licht hinauszugehen. Spüre, was für ein Gefühl es ist, wenn die Angst dich von etwas abhält. Stelle dir vor, wie Herr od Frau Angst dir den Weg versperrt, dich einschüchtert, entmutigt, lähmt. Wie fühlst du dich dabei?

 Und nun wiederhole genau den gleichen Prozess noch einmal. Lasse den Film wieder vor deinem inneren Auge ablaufen: Du willst hinausgehen, lässt dich aber durch deine Angst davon abhalten. Durchlebe diese Szene immer wieder – 3x, 6x, 10mal – und lass dich jedes Mal von deiner Angst zurückhalten. Tue das so oft, wie es notwendig ist – so lange, bis du wütend wirst. Nicht nur ein bisschen traurig od entmutigt od gereizt od verärgert, sondern richtig wütend. In diesem Augenblick bist du bereit, etwas anderes zu tun.

 Verwandle deinen Zorn in Entschlossenheit. Atem tief ein, lass den Film noch einmal vor deinem inneren Auge ablaufen und gehe zum Ausgang. Herr od Frau Angst steht immer noch da und wirr dir Einhalt gebieten. Aber diesmal achtest du nicht mehr darauf, sondern gehst einfach hinaus – hinaus ans Sonnenlicht, hinaus in ein neues Leben.

 Und nun integriere diese Erfahrung in dein Alltagsleben. Nachdem du diese Übung erlernt hast, konzentriere dich auf eine ganz bestimmte Angst, di dich im Leben schon öfters behindert od von einem Vorhaben abgehalten hat. Das kann alles möglich sein: Angst, anderen Menschen offen deine Meinung zu sagen, oder Angst vor dem Bungeejumping. Stelle dir vor, wie diese Angst dich immer wieder zurückhält, bis du ihrer erst überdrüssig, dann gereizt und schliesslich wütend wirst. Und dann verändere in Gedanken den Ausgang dieser Geschichte, indem du einfach durch die Angst hindurchgehst. Gehe hinaus und tue, was du dir vorgenommen hast.



Die Lektion und Moral dieser Übung lautet: Wenn dir die Angst den Weg versperrt, kannst du entweder wütend werden od dich von ihr zurückhalten lassen. Du hast die Wahl.



Symbolische Mutproben



Die Ängste, die uns in unserem täglichen Leben am meisten Probleme bereiten, sind eher psychischer als physischer Natur. Vielleicht bist du es gewohnt, in halsbrecherischem Tempo durch die Strassen zu fahren, und findest überhaupt nichts dabei; doch wenn du vor einer grösseren Gruppe von Menschen eine Rede halten od jemanden fragen musst, ob er (od sie) ev. Lust hätte, mit dir auszugehen, fangen deine Knie an zu zittern.



Aktivitäten, die den Adrenalinspiegel in die Höhe treiben (aber rel. ungefährlich sind) – zB Wildwasserkanu, Fallschirmspringen, Klettern, Bergsteigen, Bungeejumping od Feuerlauf – scheinen auf den ersten Blick die beste Methode zu sein, deine Angst zu überwinden. Doch in Wirklichkeit ist das nur eine Show – ein symbolischer Kampf gegen die Angst, der dich vielleicht auf die wahrhaft furchterregenden Herausforderungen des täglichen Lebens vorbereiten kann: zB darauf, offen deine Meinung zu sagen, zuzugeben, dass du unrecht hattest, das Risiko einer Blamage od Zurückweisung einzugehen – od einfach nur du selbst zu sein.



Die folgenden Aktivitäten können jedem Menschen als Vorbereitung und ungefährliche Übung für den Kampf gegen die eigenen Ängste dienen.



Filme:

Thriller, Horrorfilme, Sciencefiction uä. Filme, die dem Abreagieren innerer Spannungen dienen, bieten dir eine Chance, es aus sicherer Entfernung mit Mördern, Verrückten und Ungeheuern aufzunehmen, ein Held od ein mutiger Abenteurer zu sein.



Virtuelle Realitäten:

Noch lebensnäher als der Film lässt die moderne virtuelle Realität uns das Erlebnis einer Autofahrt in atemberaubenden Tempo, eines Flugs durch die Luft od sogar eines Tauchabenteuers in den Tiefen des Ozeans nachempfinden. Auf diese Weise kann man sich völlig gefahrlos auf Abenteuer und Herausforderungen einlassen, bei denen man normalerweise sein Leben aufs Spiel setzen würde.



Fahrgeschäfte im Freizeitpark:

Auch Achterbahnen und ähnliche Fahrgeschäfte, die einen gewissen Nervenkitzel erzeugen, bieten ein Maximum an Angst bei einem gleichzeitigen Minimum an Risiko. Im Gegensatz zum Film od zur virtuellen Realität bewegt man sich dabei tatsächlich mit halsbrecherischer Geschwindigkeit, erlebt die Einwirkung physischer Kräfte und wirbelt durch schwindelerregende Achterschlaufen und Haarnadelkurven – das flaue Gefühl im Magen ist nicht nur nachempfunden, sondern ganz echt.



Sportarten und Trainingsprogramme, die mit gewissen Mutproben verbunden sind: „Wenn ich das geschafft habe, schaffe ich alles!“ Für Menschen, die sich nach einem solchen Rauscherlebnis sehnen, gibt es inzwischen die verschiedensten Seminare und Trainingsprogramme zur Persönlichkeitsentwicklung, bei denen man seinen eigenen Ängsten entgegentreten kann, zB



Feuertaufe:

Früher praktizierten das nur Yogis und Schamanen; doch mittlerweile sind schon Tausende von Menschen über glühende Kohlen gelaufen und haben auf diese Weise symbolisch ihre Angst besiegt.



Fallschirmspringen:

Die heutigen Tandemsprünge und neuen Fallschirme ermöglichen einem den Sprung ins Leere ohne grosses Risiko



Wildwasserkanu:

Je nach Strömung kann das eine gemütliche Paddeltour od ein intensiver Kampf gegen die Elemente sein.



Bungeejumping:

Warum springt man kopfüber von einem Turm od Kran, nur von einem elastischen Seil um Hüfte od Fussknöchel gehalten? Für Menschen, die auf der Suche nach einem billigen Nervenkitzel sind, gibt es kaum etwas Besseres.



Bergsteigen und Klettern:

Sicher angeseilt klettern und balancieren Teilnehmer auf Bäumen, Masten od Tauen in bis zu 15m Höhe herum. Dabei wird man mit dem „Das-kann-ich-nicht“ Gefühl konfrontiert. Und dann tut man es einfach trotzdem.



Ausserdem gibt es natürlich auch noch die Möglichkeit, an öffentlichen Darbietungen od Wettkämpfen teilzunehmen. Jeder, der schon einmal eine witzige Rede bei einer Familienfeier halten musste, bei einer Theateraufführung mit gewirkt, einen Vortrag gehalten, ein Musikinstrument gespielt, auf der Bühne gesungen od an einem wichtigen sportlichen Wettkampf teilgenommen hat, weiss, in was für Ängste einen solche öffentlichen Auftritte versetzen können. Dabei muss man seiner Angst nicht weniger tapfer entgegentreten als beim Fallschirmspringen. Für viele Menschen ist die Angst vor einem Auftritt in der Öffentlichkeit sogar noch ein bisschen schlimmer als die Angst vor dem Tod.



Du siehst: Man muss nicht unbedingt aus einem Flugzeug springen, um Mut zu beweisen. Wenn du wirklich eine schwierige Mutprobe bestehen willst, verabrede dich mit einer Frau, führe sie in ein Restaurant und singe beim Abendessen ein paar Takte aus einem Liebeslied. (Viele meiner Freunde würden, wenn man sie vor die Wahl stellte, ob sie lieber in aller Öffentlichkeit singen od mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug springen würden, ohne Zögern zum nächsten Flughafen fahren.)



Jeder hat seine eigenen Ängste. Unsere Alltagsängste sind am wichtigsten und stellen uns vor die grösste Herausforderung. Nimm dir einmal ein paar Minuten Zeit, um über die Ängste nachzudenken, mit denen du in deinem täglichen Leben konfrontiert wirst.



Tue es einfach:

Eine Übung zur Überwindung deiner Ängste



 Wähle irgend eine Aktivität, die dich besondere Überwindung kostet (zB, in aller Öffentlichkeit eine Rede zu halten od zu singen, um eine Verabredung od eine Gehaltserhöhung zu bitten, über eine deiner Lieblingsphantasien zu sprechen) – irgendetwas, was du wirklich gern tun würdest, aber noch nie getan hast, weil du dabei vielleicht versagen od zurückgewiesen werden od dir lächerlich vorkommen könntest.

 Nimm dir fest vor, diesen Plan innerhalb der nächsten 6 Wochen in Realität umzusetzen

 Erzähle einem Freund von deinem Vorhaben und den Gründen dafür, schreibe jemandem einen Brief darüber, oder schliesse einen Vertrag mit dir selbst und unterzeichne ihn.

 Triff alle Vorbereitungen, die nötig sind, um dein Vorhaben auch wirklich in die Tat umzusetzen.

 Sobald der Zeitpunkt näher rückt, wo du deiner Angst ins Auge sehen und sie überwinden musst, denke daran, in der Gegenwart zu bleiben. Wenn du an dein Vorhaben denkst, wirst du wahrscheinlich nervös, ängstlich od vielleicht auch nur aufgeregt sein. Möglicherweise erscheint es dir plötzlich gar nicht mehr so schrecklich, wie du vorher gedacht hattest. Oder vielleicht doch. Indem du deine Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Augenblick richtest, beschränkst du deine Angst auf den Zeitpunkt, zu dem sie völlig normal und angemessen ist – nämlich dann, wenn du das, wovor du Angst hast, wirklich tun musst, und nicht schon Stunden od Tage vorher.

 Anschliessend zeichne od male ein Bild, in dem du darstellst, was dieses Erlebnis für dich bedeutet hat. Du kannst es natürlich auch in ein paar Zeilen beschreiben, aber eine Zeichnung bringt die Erfahrung deines Unterbewusstseins besser zum Ausdruck. Du brauchst das, was du da zeichnest od malst, nicht unbedingt zu verstehen. Bringe einfach spontan zu Papier, was dir einfällt.

 Als Nachfassaktion kannst du dir von nun an jeden Monat irgend etwas aussuchen, was du gern tun würdest, aber bisher noch nicht getan hast – und zwar zumindest teilweise aus Angst. Und dann wiederholst du den gleichen Prozess:

o Fest vornehmen

o Alle nötigen Vorkehrungen treffen

o Handeln

 Das kann eine Mutprobe sein, die ich vorhin beschrieben habe: ein Abenteuer in einer virtuellen Realität, eine Achterbahnfahrt, vielleicht sogar eine Spritztour mit dem Wildwasserkanu od ein Fallschirmsprung. Es kann aber auch irgendeine unmittelbare, praktische Aufgabe in deinem täglichen Leben sein.



Ängste überwindet man durch Handeln



Die Ängste, denen du in deinem täglichen Leben und im Kontakt mit anderen Menschen begegnest, sind viel wichtiger als die ausgefallensten Mutproben. Wenn du merkst, dass du vor einer Handlung zurückschreckst, weil du nervös bist od weil sie dir irgendwie widerstrebt, ist deine Stunde der Wahrheit gekommen. Was wirst du jetzt tun?



Jeder Mensch, der schon einmal eine Stunde der Wahrheit erlebt hat – der trotz seiner Angst aus dem Flugzeug gesprungen ist, auf der Bühne Klavier gespielt, vor einem Publikum eine Rede gehalten od sonst irgendwie den „Sprung ins kalte Wasser“ gewagt hat – weiss etwas, was ängstlichere Naturen nicht wissen: Sobald man mittendrin steckt und seine ganze Aufmerksamkeit auf die Aktivität richtet, vor der man vorher solche Angst hatte, denkt man gar nicht mehr daran, was alles passieren könnte, sondern konzentriert sich 100%ig darauf, was gerade passiert. Die Angst ist vielleicht immer noch da, aber man spürt sie nicht mehr.



Auch wenn du dir etwas noch so fest vorgenommen hast – es ist trotzdem nur eine Absicht, ein Plan, etwas, was in deiner Phantasie existiert. Wie fest entschlossen od mutig du tatsächlich bist, erfährst du erst, wenn du deinen Mut und deine Entschlossenheit durch Handeln auf die Probe stellst – in der Stunde der Wahrheit, in der es um alles od nichts, um Leben od Tod geht.



Der folgende Test ist eine praktische Methode, mit deren Hilfe du Mut und Entschlossenheit in dir entdecken, fördern und beweisen kannst. Er steht symbolisch für alle Augenblicke im Leben, in denen du deine Ängste überwinden musst.



Der Stecknadeltest:

Entschlossenes Handeln in der Stunde der Wahrheit



Was tätest du, wenn vor dir plötzlich ein Auto auf deine Spur wechseln od ein Mensch auf der Strasse dich laut beschimpfen od angreifen würde? Würdest du vor Angst erstarren, in Panik geraten od ruhig und entschlossen handeln? Die folgende Übung der Stecknadeltest – ist eine symbolische Lektion, bei der es darum geht, in deiner persönlichen Stunde der Wahrheit Mut zu beweisen.



Stecknadeltest:



Du brauchst dazu nur eine Holzfläche (zB eine Tischplatte) und ein paar ganz gewöhnliche, nicht verbogene Stecknadeln, wie man sie zum Säumen von Hosen verwendet (die mit Metallkopf). Der erste Schritt der Übung besteht darin, deine dieser Stecknadeln so in die Holzfläche zu stecken, dass sie senkrecht hoch steht. Dann schlägst du mit der flachen hand darauf, so, dass sie sich verbiegt.



Die Stecknadel steht für die Ängste, die zwischen dir und deinem Ziel stehen. Die Übung – auf die Tischplatte zu schlagen und die Nadel umzubiegen – symbolisiert das entschlossene Handeln, das notwendig ist, um deine Ängste zu überwinden und dein Ziel zu erreichen. Mit diesem Wissen kannst du nun mit der Übung beginnen:



 Schlage mit der ausgestreckten Handfläche so kräftig auf die Tischplatte, dass es knallt und du ein leichtes Brennen in der Handfläche verspürst. Das ist die Probe für die nun folgende Übung, bei der du mit der offenen Handfläche direkt auf eine senkrecht hoch stehende Stecknadel schlagen wirst, die du zuvor in die Holzplatte gesteckt hast.

 Teste deine Stecknadeln zunächst einmal, indem du eine von ihnen zwischen 2 Finger nimmst und verbiegst. Vielleicht willst du auch erste einmal eine Nadel senkrecht in die Tischplatte stecken und mit einem Buch darauf schlagen, um zu sehen, wie sie sich verbiegt. Dann bist du bereit für die Übung.

 Konzentriere dich auf die Nadel und nimm dir fest vor, mit der Handfläche auf Nadel und Tischplatte zu schlagen, als sei die Nadel gar nicht da. Richte deine Gedanken nicht auf die Tischplatte, sondern durch die Tischplatte hindurch, so wie Karatekämpfer durch das Holzbrett hindurchdenken müssen, um es mit der Handkante entzwei schlagen zu können.

 Sobald du innerlich darauf vorbereitet bist, tust du es einfach. Dies ist die Stunde der Wahrheit.

 Wenn du deine ausgebreitete Handfläche mit aller Kraft und lautem Knallen auf die Tischplatte niedersausen lässt, wirst du nicht einmal merken, dass dort eine Stecknadel war. Sie wird sich umbiegen, und deine Handfläche wird hinterher vollkommen unverletzt sein. (Das einzige unangenehme Gefühl, das du ev. spürst, ist das leichte Brennen, wenn deine Handfläche auf die Tischplatte trifft.)

 Bitte keine halbherzigen Versuche – mache es richtig. Beinahe genug ist noch lange nicht genug. Wenn du zögerst – wenn die Angst deinen Entschluss ins Wanken bringt und du die Handfläche hohl machst od nicht schnell und kräftig genug zuschlägst – wirst du dein Ziel viel eher verfehlen und dir vielleicht sogar die hand an der Nadel einritzen.

 Entweder du entscheidest dich gegen diese Mutprobe, od du lässt dich 100%ig darauf ein. Es ist ganz normal, dabei Vorbehalte, Angst od Zweifel zu haben. Du darfst deinen Plan nur nicht von diesen Gefühlen durchkreuzen lassen.

 Wenn du es geschafft hast, achte einmal darauf, was für ein Gefühl es ist, dein Vorhaben trotz aller Ängste od Zweifel durchgeführt zu haben.



Wenn du den Stecknadeltest lieber nicht machen möchtest, respektiere diese Entscheidung, aber sei dir gleichzeitig darüber im Klaren, dass diese Mutprobe eine Chance für dich ist. Du kannst nur von den Dingen profitieren, die du auch wirklich tust.



Selbstzweifel:

Der grosse Hochstapler



Wie du gesehen hast, sind nicht alle Ängste so klar umrissen wie die Furcht vor dem Stecknadeltest od davor, von einem hohen Sprungbrett ins Wasser zu springen od eine Rede zu halten. Manche Menschen merken erst, dass sie manipuliert od verführt od ausgenutzt werden, wenn man sie buchstäblich mit der Nase darauf stösst. Genauso erkenne wir die subtilen, heimtückischen Mechanismen der Angst vielleicht nicht, solange sie sich nur als vages, kaum spürbares Unbehagen od leiser Zweifel bemerkbar machen. Oft ist uns gar nicht bewusst, dass wir es mit der Angst zu tun haben, wenn sie in Form von Nervosität, Zögern, Widerstreben, mangelndem Interesse od Selbstzweifeln (ihrer heimtückischsten Verkleidung) auftritt.



Als du noch klein warst, wäre es dir nie in den Sinn gekommen, an dir selbst zu zweifeln. Beobachte nur einmal kleine Kinder beim Stehen- od Laufenlernen: Sie fallen dauernd hin und versuchen es trotzdem immer wieder. Doch als du dann älter wurdest und dich mit den anderen verglichst, fingst du an, dir feste Vorstellungen von deinen Fähigkeiten zu machen. Fast alle Vorstellungen, die wir von unseren Fähigkeiten haben, rühren daher, dass wir kein Talent zu haben glauben, obwohl es uns in Wirklichkeit nur an Erfahrung fehlt.



Mir ist es ganz ähnlich ergangen: Ich kam 2 Wochen zu spät in den Kindergarten. Als ich anfing, Bäume zu malen, hatten die anderen Kinder es schon fast eine Woche lang geübt, aber das wusste ich nicht. Ich wusste nur eines: Wenn ich meine Bäume mit denen der anderen Kinder verglich, so hatten ihre Bäume Äste und Blätter, während mein erster Baum wie ein grüner Lutscher aussah. Daraus schloss ich, dass die anderen begabter waren als ich. Wenn man mich dann später vor die Wahl stellte, ob ich lieber malen od im Sandkasten spielen wollte (im Sandkasten spielen konnte ich wirklich gut) – was glaubst du wohl, wie ich mich entschied?



Jeder Mensch trägt in seinem Inneren eine kurze (od auch längere) Liste von Dingen mit sich herum, die er nicht besonders gut zu können glaubt. Vielleicht können wir solche Überzeugungen sogar mit Beispielen aus unserer eigenen Erfahrung belegen. Doch was früher vielleicht stimmte, muss heute nicht unbedingt immer noch gelten. AlbertEinstein war ein schlechter Mathematikschüler, und BabeRuth wurde oft ausgelacht, bevor er zum Meister des Home-run wurde.



Wie man das Unmögliche tut



Hier erwartet dich jetzt eine Aufgabe, die dich ernsthaft bezweifeln lassen wird, ob du die Fähigkeit hast, sie zu bewältigen. Deine bisherigen Fähigkeiten werden dir sagen „Das schaffe ich nicht“, und auch dein Verstand wird entschieden NEIN sagen.



Der folgende Test wird dir beweisen, dass du mehr kannst, als du glaubst



 Lies dir zunächst einmal folgende Liste von 20 Begriffen durch:

o Ein Tisch, ein Kaninchen, ein Telefon, ein Auto, eine Apfelsine, Bluejeans, eine angezündete Zigarre, ein kleines Aquarium, ein Fernsehgerät, eine Handtasche, ein alter Wecker, ein Motorrad, ein Kühlschrank, Joggingschuhe, ein Berg, gelbe Farbe, ein Wasserfall, Unterwäsche, ein Tennisball und ein alter Physiker.

 Würdest du mir glauben, wenn ich dir versichere, dass du in der Lage sein wirst, diese Liste innerhalb der nächsten 4 Minuten auswendig zu lernen – und zwar nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts? Du kannst sogar noch viel mehr: Wenn ich dir irgendeinen Begriff aus der Liste nenne, wirst du genau wissen, welcher davor und welcher danach kommt.

 Aufgrund früherer Erfahrungen hast du vielleicht grosse Zweifel daran, ob dir das gelingen wird. Bitte bewerte deine Zweifel anhand einer Punkzahl von 1-10. Merke dir diese Zahl od schreibe sie dir auf.

 Und nun setze deine natürliche Gabe der Phantasie ein, um dir rund um diese 20 Begriffe einen kleinen Film vorzustellen.

o Stelle dir erst einmal einen kleinen Tisch vor. Strecke die Arme aus und male dir aus, wie du die Tischbeine umfasst. Dabei spürst du wie der Tisch sich auf und ab bewegt. Warum? Weil ein rosa Kaninchen auf der Tischplatte herumhüpft wie auf einem Trampolin. Beim nächsten Sprung nach oben greift es nach dem Telefonhörer, der von der Decke herabhängt, denn das Telefon hat geklingelt. Siehst du vor dir, wie das Kaninchen den Telefonhörer an der Decke ergreift? In diesem Augenblick kracht ein grosses Auto durch die Zimmer decke und landet auf einer riesigen, leuchten orangenfarbenen Orange im Wohnzimmer. Es zerquetscht die Apfelsine, so dass der Saft über die Bluejeans spritzt, die an der Wand hängt. Wenn man eine Bluejeans mit Orangensaft übergiesst, öffnet sich natürlich der Hosenschlitz, und eine brennende Zigarre fällt heraus. Sie versinkt zischend in einem kleinen Aquarium und verwandelt es auf wundersame Weise in einen Fernsehbildschirm. Und was gibt es dort zu sehen? Eine Teleshopping-Sendung, in der gerade eine glänzende Handtasche gezeigt wird. Die Tasche geht auf, und heraus springt ein lauter rasselnder Wecker, der sich dreht – und dann noch einer. Die beiden Wecker verwandeln sich in Räder eines Motorrads, das plötzlich aus dem Fernsehschirm herausgeknattert kommt und mit dem Kühlschrank zusammenstösst. Die Kühlschranktür geht auf, und heraus fallen mehrer Paar Joggingschuhe, die einen Berg hinaufrennen und oben auf dem Gipfel einen grossen Eimer mit gelber Farbe umstossen. Als die gelbe Farbe den Berg hinunterfliesst, verwandelt sie sich in klares, reines Wasser: ein Wasserfall, so mächtig wie die Niagarafälle, ergiesst sich über den Abhang, so dass die Unterwäsche, die unten auf einer Wäscheleine hängt, pitschnass wird. Aus den Unterhosen fällt ein leuchtendgelber Tennisball und landet auf dem Kopf eines alten Physikers, der gerade in diesem Augenblick einen genialen Geistesblitz hat.

 Und nun wollen wir den Inhalt des Films noch einmal wiederholen.

o Der 1.Gegenstand, den du in der Hand hieltest, war ein …, darauf hüpfte ein … auf und ab, das dann nach dem … an der Decke griff. Leider stürzte die Decke ein, als ein … krachend hindurchfuhr und auf der riesigen … landete. Der Saft spritze über die …, die an der Wand hing, der Reissverschluss ging auf, und heraus fiel eine …, direkt ins … hinein, das sich daraufhin in einen … verwandelte. Dort wurde eine … gezeigt, aus der ein sich drehender … sprang, und dann noch einer. Die beiden verwandelten sich zu Rädern eines …, das aus dem Fernsehbildschirm hervorkam und mit einem … zusammenstiess, aus dem daraufhin viele … herausfielen. Sie rannten einen … hinauf und verschütteten …, die sich in einen mächtigen … verwandelte. Dieser machte die … auf der Leine pitschnass, und es fiel ein … heraus, der auf dem Kopf eines … landete. Dieser hatte daraufhin eine phantastische Idee.

 Und jetzt schliesse die Augen und lasse den Film rückwärts ablaufen: Zuerst kommt der Physiker und am Schluss der Tisch. Viel Spass.

 Wenn ich jetzt zB Apfelsine sage, welcher Gegenstand kommt davor auf der Liste? … und welcher danach? … Und wie steht es mit dem Kühlschrank? Was kommt davor, was danach?



Mache dir bewusst, dass du gerade etwas getan hast – vielleicht nicht perfekt, aber doch ziemlich gut – obwohl du deine Fähigkeit dazu vorher ernstlich bezweifelt hattest. Genauso, wie du das hier geschafft hast, kannst du auch den nächsten Zweifel überwinden, der in dir aufsteigt.



Übe einfach mutig zu sein: Natürlich wirst du dabei auch hin und wieder auf die Nase fallen. Ich stürzte als Turner 20-30mal am Tag, wenn ich eine neue Bewegungsabfolge einübte. Wenn das Versagen zum täglichen Leben gehört, verliert es seinen Schrecken.



Es ist eine sehr wertvolle Erfahrung für dich zu versagen, abgewiesen zu werden, dich zu blamieren od zu schämen. Denn dann merkst du, dass die Welt deshalb noch lange nicht untergeht. Das Leben geht weiter. Und wenn wir es immer wieder versuchen, verbessern wir uns mit der Zeit immer mehr.



Kompetenz lindert Ängste: Es gibt ein Sprichwort, das besagt, dass wir alle unwissend sind – nur über verschiedene Themen. Genauso könnte man sagen, dass wir alle Angst haben – nur vor unterschiedlichen Dingen. Wir beide, du und ich, fürchten uns vielleicht davor, auf einem 10m hohen Sprungturm zu stehen und einen Schwalbensprung zu machen. Ein erfahrener Kunstspringer hätte davor kaum od gar keine Angst, denn ein so einfacher Sprung ist für ihn kein Risiko mehr. Doch als er seinen ersten Schwalbensprung machte od einen anderen neuen Sprung einübte, musste auch er erst einmal seine Angst überwinden.



Je besser wir eine Fähigkeit beherrschen, umso weniger Angst haben wir davor. Kompetenz schenkt Selbstvertrauen. Zweifelst du daran, ein guter Koch zu sein? Glaubst du, keine sportliche Begabung zu besitzen od deine Bewegungen nicht gut koordinieren zu können? Hältst du dich für schlecht in Mathematik, weil du in der 5.Klasse Probleme mit Textaufgaben hattest? Glaubst du, dass du kein Talent dazu hast, elektronische Geräte anzuschliessen? Dann stelle dich dieser letzten Herausforderung:



 Überlege dir irgendetwas, was du gern können würdest, dir aber nicht zutraust (wofür du wahrscheinlich auch Gründe nennen kannst).

 Und dann setze dir ein klar definiertes Ziel, zB: „Ich erde die Schüre aller meiner elektronischen Geräte aus den Steckern ziehen und sie hinterher wieder zusammenbauen“ od „Ich werde Radschlagen (od irgendeine andere physische Fähigkeit) lernen“ od „Ich werde ein Gourmetmenü mit 5 Gängen kochen“.

 Sobald du dein Ziel formuliert hast, setze einen realistischen Termin dafür fest. „Irgendwann einmal“ ist zu vage.

 Dann erstelle eine Liste der Dinge, die du tun kannst, um dich darauf vorzubereiten – einen Schritt-für-Schritt-Plan, um das, was du dir vorgenommen hast, zu erlernen. Vielleicht musst du dazu ein paar Anläufe tätigen, dir in der Bücherei irgendein Nachschlagewerk besorgen. Unterricht nehmen od dich von einem Freund beraten lassen, der Erfahrung damit hat.

 Mit anderen Worten: Suche dir ein Ziel aus, und dann versuche einfach dein Glück. Zweifle an dir, wenn du möchtest, und dann tue es, weil du es kannst.



Ziele zu wählen, deren Erreichung wir uns nicht zutrauen, und es dann einfach zu tun, gehört zu den stärkendsten, regenerierendsten, ermutigendesten Erfahrungen, die ich kenne.



Wer nicht ständig damit beschäftigt ist, geboren zu werden, der liegt im Sterben

BobDylan



Wie man seinen Körper von Ängsten befreit



Angst entsteht als Gedanke od Gefühl, Überzeugung od Erwartung; doch schliesslich wird sie in deinem Körper in Form physischer Anspannung und gehemmter od flacher Atmung gespeichert. Eine Möglichkeit, mit deinen Ängsten fertig zu werden, besteht darin, direkt an deinem Körper zu arbeiten, indem du die als Spannung gespeicherte Angst beseitigst.



Prof.Oscar Ichazo, der Begründer der Arica-Schule, hat die Theorie aufgestellt, dass es im menschlichen Körper verschiedene Angstzonen gibt – Bereiche, in denen unterschiedliche Ängste gespeichert werden. Wenn man diese Körperbereiche buchstäblich bis auf die Knochen hinunter massiert, kann man seinen Körper nicht nur von der physischen Anspannung, sondern auch von der Angst befreien.



Durch chronische Ängste entstandene Muskelverspannungen schränken unseren Bewegungsspielraum ein und verursachen physischen Schmerz od sogar Empfindungsstörungen. Wir beginnen unsere Bewegungen und unser Denken einzuschränken, und dadurch geht uns ein Teil unserer Bewusstheit, Intelligenz, Spontaneität und anderer Gehirnfunktionen verloren. Durch Selbstmassage können wir solche Spannungen in unserem Körper selbst behandeln. Wenn wir alle Spannungsbereiche sanft, tief und respektvoll massieren, wird unser Körper dadurch vitaler, elastischer und jugendlicher.



Ich will dir nun einen Überblick über die verschiedenen Angstzonen im menschlichen Körper geben. Gleichgültig, ob du unter den hier aufgezählten Ängsten leidest od nicht: Es wird eine tiefgreifende Wirkung auf dich haben zu spüren, wie du eine bestimmte Angst beseitigst, indem du beim Massieren tief in deine Muskeln und bis an die Oberfläche der Knochen vordringst und diese Massage als eine Art Reinigungsmittel betreibst. Vertraue auf deinen Instinkt, er wird deine Hände schon so leiten, dass du den richtigen Druck ausübst



Massage



Du kannst dir mehrer Stunden Zeit nehmen, um deinen ganzen Körper zu massieren od jeden Tag in deiner Freizeit immer nur an einem kleinen Körperbereich zu arbeiten. (Wenn du jeden Tag auch nur für 5 Minuten lang einen einzige Angstzone bearbeiten würdest, hättest du bis zum Ende des Jahres immerhin schon über 30 Stunden damit verbracht, deinen Körper von angestauten Ängsten und Verspannungen zu befreien.)



Für die Massage im Rückenbereich brauchst du einen Partner. Nimm nicht zuviel Massageöl, und achte darauf, dass deine Fingernägel kurz geschnitten sind. Massiere langsam und geduldig, sanft und dennoch tief eindringend, mit einer respektvollen Haltung gegenüber dem eigenen Körper. Beginne mit einem leisen Streicheln, ehe du mit den Händen tiefer in deine Muskeln hineindrückst.



Die Angstzonen deines Körpers





 Füsse

o (Angst davor, du selbst zu sein)

o Ziehe, drehe und beuge eine Zehe nach der anderen

o Arbeite an der Fussoberseite und rund um das Sprungbein, und mache anschliessend eine Fusssohlen-Tiefenmassage

 Waden und Schienbeine

o Angst davor zu handeln

o Fahre mit saften, glättenden Bewegungen an der Oberseite und den Seiten deiner Schienbeine entlang;

o Im oberen und unteren Wadenbereich wird tiefer und kräftiger massiert.

 Knie

o Angst vor dem Tod

o Löse Spannungen im Inneren deiner Knie/Kniekehlen

o Dann bewege deine Kniescheiben und versuche, mit den Fingern so weit wie möglich dahinter zu gelangen

 Oberschenkel

o Angst, nicht fähig genug zu sein

o Bearbeite den oberen Oberschenkel- und Leistenbereich und alle Muskeln rund um die Beckenknochen

o Anschliessend werden die Schenkel tief und kräftig massiert.

 Genitalien einschliesslich Steiss- und Sitzbein

o Angst vor Sexualität

o Bearbeite alle empfindlichen Körperbereiche rund um die Genitalien, After und Steissbein

 Becken vom Schambein bis zum oberen Ende des Kreuzbeines

o Angst vor dem Leben, Schüchternheit

o Massiere den oberen Beckenbereich von der Wirbelsäule bis zum Schambein tief und gründlich

 Zwerchfell, untere Rippen bin hinunter zum Hüftbein

o Angst davor, zu essen und Nährstoffe zu assimilieren, zu atmen, seinen Platz auf der Welt einzunehmen

o Massiere von der Wirbelsäule ausgehend unter den Rippen entlang bis zum Solarplexus (unter Brustbein)

 Brustkorb bis Schlüsselbein

o Angst vor Zorn, äussert sich in Form von Seufzen und Traurigkeit

o Fahr mit den Fingern unter dein Schlüsselbein und massiere deine Brustmuskulatur (zwischen sämtlichen Rippen)

 Hände bis zur Oberseite der Handwurzelknochen

o Angst davor, etwas zu tun

o Massiere zwischen allen Fingern und drücke auf den Punkt zwischen Daumeballen und Zeigefinger

 Unterarm und Ellbogen

o Angst vor Bestrafung

o Arbeite dich an der Vertiefung zwischen den beiden Knochen deines Ellbogengelenks entlang und von der Armbeuge bis zur Innenseite des Handgelenks

 Schultern, Deltamuskeln und Achselhöhlen bis zu den Ellbogen

o Angst, enttäuscht zu werden

o Bearbeite deine Schultermuskulatur, dann Bizeps und Achselhöhlen

 Oberer Rückenbereich, Kapuzen- und Rautenmuskeln

o Angst davor, die Kontrolle zu verlieren

o Unfähigkeit Aufgaben zu delegieren –

o Man trägt die ganze Last der Welt auf seinen Schultern

o Massiere unter den Schulterblättern deines Partners und alle Muskeln im oberen Rückenbereich

 Unterer Rückenbereich vom Becken bis zu den Schulterblättern

o Angst davor, etwas zu verlieren

o Massiere rechts und links an der Wirbelsäule deines Partners und an seinen Schulterblättern entlang

 Bereich zwischen Schädelbasis und oberem Rücken bzw. Trapezmuskel

o Angst davor, sich in Gesellschaft falsch zu benehmen od zu blamieren

o Bearbeite alle Muskelfasern an der Schädelbasis deines Partners entlang bis hinunter zu den oberen Rückenmuskeln

 Kopf und Gesicht

o Dieser Teil der Massage kann allein od mit einem Partner durchgeführt werden

o Massiere langsam und behutsam an allen Knochenoberflächen entlang

o Verstärke den Druck an den Stellen, wo du es verkraften kannst, in den empfindlicheren Bereichen massierst du sanfter und vorsichtiger

o Glätte deine Stirn von der Mitte zu den Seiten hin

o Drücke den Zeigefinger zwischen deine Augenbrauen und fahre glättend am oberen Rand der Augenhöhlen entlang.

o Massiere zuerst deine Schläfen und Wangenknochen, dann rund um Nase, Lippen und Kinn

o Massiere mit kräftigem Druck den Bereich um deinen Kieferknochen

o Dann massiere den äusseren Ohrbereich, wobei du deine Ohren sanft drehst und biegst

o Zum Schluss gönnst du dir eine kräftige Kopfhautmassage



o Ohren, Nackenbereich, Warzenfortsatz

 Angst vor Missverständnissen

o Stirn von den Augenbrauen bis zum Haaransatz

 Sorgen und Hang zum Grübeln

o Augenbrauen und der Bereich zwischen den Augenbrauen

 Zorn

o Ränder Augenhöhlen und di daran befestigten Muskelbänder

 Vorurteile

 Tendenz, andere Menschen zu verurteilen

o Wangenknochen

 Scham

o Nase

 Angst vor Kontrolle von aussen

o Linien von den Nasenflügeln um den Mund

 Angst, enttäuscht zu werden

o Mund, Lippen und Muskeln rund um den Mund

 Angst vor Ekelgefühlen

o Kinn

 Angst minderwertig zu sein

o Kieferknochen

 Angst vor abstossenden Dingen: Anblicken, Gerüchen, äusseren Umständen



Durch diese intensive Körperarbeit sollen die Restspannungen beseitigt werden, die mit deinen früheren und zukünftigen Ängsten zusammenhängen. Die Ängste gehen dadurch nicht weg – nur die damit verbundenen Spannungszustände. Indem du die Verspannungen löst, wirst du lernen, deinen Körper entspannt und deinen Geist beweglich zu halten, sodass du trotz deiner Ängste mutig, entschlossen und effizient handeln kannst.



Nimm Abschied von deinen Ängsten



Je mehr Angst du vor einer Herausforderung hast, umso grösser wird dein Hochgefühl hinterher sein, wenn du sie überstanden hast. Es gibt kaum etwas Befriedigenderes im Leben, als sagen zu können: „Ich habe es geschafft!“ Jedes Mal, wenn du deiner Angst die Stirn bietest, indem du tust, was getan werden muss, gehst du den Weg der Erleuchtung im Alltag. Und du wirst feststellen, dass die Angst keine Mauer ist, sondern ein Tor zu neuen Möglichkeiten – nicht das Ende der Welt, sondern der Anfang. Manchmal müssen wir einfach den Sprung in die Tiefe wagen; unterwegs werden uns schon Flügel wachsen.



Überall wo ein Weg endet, beginnt ein neuer. Nachdem du dich mit dem wichtigen Problem deiner Alltagsängste befasst hast, bist du nun bereit für das nächste Tor: das Schattenreich deiner Psyche. Dort wirst du den verleugneten Seiten deiner Persönlichkeit wiederbegegnen und Chance erhalten, wieder ein guter Mensch zu werden.

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Das 9. Tor








Erleuchte deinen Schatten






Als Kind warst du reines Potential. Du warst ein ganzer Mensch: offen und unverfälscht, stark und nachgiebig, gut und schlecht, diszipliniert und spontan zugleich – ein Gefäss voller Möglichkeiten. Doch als du älter wurdest, verleugnetest du bestimmte Teile deiner Persönlichkeit, die nicht den Wertvorstellungen entsprachen, die du dir allmählich zu eigen machtest. Du schufst dir falsche Bilder von dir selbst, wurdest „dieses“, aber nicht „jenes“. Aber irgendwann werden diese verborgenen Gegenpole deiner Persönlichkeit dich einholen. Denn gerade das, was du nicht siehst, kann dir wehtun. Indem du deinen Schatten erleuchtest, wirst du wieder ein ganzer, wirklicher Mensch. Du befreist die Energie, die du vorher brauchtest, um dein Selbstbild zu verteidigen, und entwickelst neue Energie und Einsicht, Demut und Mitgefühl.






Ein Weg zu mehr Echtheit und Mitgefühl






Ich ging in den Wald, weil ich bewusst leben und nur mit den Grundtatsachen des Lebens konfrontiert werden wollte, um zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was diese Erfahrung zu lehren hatte, statt in der Stunde meines Todes zu entdecken, dass ich gar nicht gelebt hatte.


HenryDavidThoreau






Landkarte:


Auf der Suche nach Echtheit und Unverfälschtheit






Schon der alte griechische Weise Sokrates riet uns: „Erkenne dich selbst.“ Das war für ihn das Allerwichtigste. Und sein berühmtester Schüler Platon schrieb in seinen Dialogen: „Das Leben, das nicht erforscht wird, ist es nicht wert, gelebt zu werden“ – deutliche, unmissverständliche Worte.






Ein moderner Weiser namens HenryPalmer hat es etwas anders ausgedrückt:






Seit der Zeit der alten Brahmanen Indiens, durch die ganze griechische und römische Kultur hindurch bis hin zu den modernen Seminaren zur Persönlichkeitsentwicklung ist eine Lehre unverändert erhalten geblieben, wenn auch in den verschiedensten Formulierungen. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Philosophien, spirituelle Praktiken und Selbsthilfeprogramme. Diese Lehre lautet: Erkenne dich selbst.


Ist das nur ein besonders guter Rat, der 10 Jahrtausende lang von Generation zu Generation weitergereicht wurde, od reichen die Wurzeln dieser Lehre tiefer? Ist sie vielleicht Ausdruck eines wichtigen Ziels, das der menschlichen Seele innewohnt?


Selbst das oft zitierte augesetzte Kind, das völlig isoliert auf einer einsamen Insel aufwächst, ohne erkennbare Sprache od Traditionen wird eines Tages ans Tor zu diesem inneren Weg gelangen. Wer bin ich? Warum existiere ich? Was ist das Leben? Solche Fragen lassen sich nicht durch weltliche Dinge befriedigen. Sie weisen den Weg zu einer inneren Suche: durch die unerforschten Stürme unseres Denkens bis ins Reich unserer Seele.






Im Kapitel „Siehe deinen Ängsten ins Auge“ hast du die menschliche Urangst vor der Mittelmässigkeit kennen gelernt – davor, als Narr od Scharlatan entlarvt zu werden. Diese Ängste verschwinden nicht einfach, indem wir uns innerlich Mut zusprechen od irgendwelche Rollen spielen, mit denen wir uns in Wirklichkeit nur selbst betrügen. Wir können uns nur von ihnen heilen, indem wir einen tiefen Blick in unseren eigenen Schattenbereich wagen und entdecken, dass wir tatsächlich Narren und Scharlatane sind – und gleichzeitig auch Helden und Schurken, Diebe und Liebende, böse Kobolde und weise Heilige. Wir alle sind Diamanten mit unzähligen verschiedenen Facetten und Unebenheiten.






Jeder Mensch ist ein Mond und hat seine dunkle Seite, die er nie jemandem zeigt.


MarkTwain






Manche deiner Charaktereigenschaften sind dir bewusst, aber das ist nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs. Andere Seiten deiner Persönlichkeit hast du in Laufe der Zeit verleugnet, und mit ihnen hast du dich gleichzeitig von einem Teil deiner eigenen Kraft, Kreativität und Genialität abgeschnitten. Jetzt ist es an der Zeit, Licht in diesen Schattenbereich zubringen und wieder ein ganzer, wirklicher Mensch zu werden, der nichts mehr zu verleugnen od zu verteidigen braucht.






Nachdem du einen Blick in die verborgene Schatzkammer deines Unterbewusstseins geworfen und es schätzen gelernt hast, bist du nun bereit, tiefer in deine eigene Persönlichkeit vorzudringen – in Schattenreich, wo die verlassenen und verleugneten Teile deiner Identität wie verirrte Kinder darauf warten, wieder zurückgeholt zu werden.






Warum du bestimmte Teile deines Charakters – Eigenschaften, die zu vielfältigen Ganzen deiner Persönlichkeit beitragen und dir Kraft geben – ablehnst, wird dir bald klar werden. Der Schatten ist das Reich der Ängste und gefallenen Engel, wo dein Selbstbild in sich zusammenbricht und deine Illusionen einer neuen, umfassenderen Realität weichen – einer Realität der Demut und Echtheit und des Mitgefühls. Du wirst dich vielleicht älter, aber zweifellos auch weiser fühlen, wenn du diesen Schatten kennen gelernt hast.






Denke daran, dass der höhere Sinn deiner Erkundigungsreise durch die 12 Tore – und der Grund, warum du verborgene od geheime Seiten deiner Persönlichkeit erkennen und eingestehen musst – darin besteht, dein Bewusstsein und deine Aufmerksamkeit auf eine höhere Stufe emporzuheben, damit du die ganze Breite des Lebens erfahren und jene Energien befreien kannst, die du zuvor benötigt hast, um dein Selbstbild zu verteidigen.






Auf dieser Forschungsreise wirst du über Dunkelheit und Licht nachdenken – und darüber, was es bedeutet, ein ganzer Mensch zu werden. Ausserdem wirst du Licht in deinen eigenen Schattenbereich werfen, dir über seinen Sinn und seine Macht klar werden und begreifen, warum dieser Bereich erforscht werden muss. Als nächstes wirst du bewährte Methoden kennen lernen, deine Schattenseite auf konstruktive Weise zum Ausdruck zu bringen, und dich schliesslich mit dem 3FragenReaktitätCheck beschäftigen – vielleicht dem konstruktivsten Verfahren, um deinem Schatten zu begegnen, ihn zu akzeptieren und wieder ein ganzer, wirklicher Mensch zu werden.






Dunkelheit und Licht






Als Socrates und ich eines Nachts die Strasse entlang gingen und 2 finstere Gestalten auf uns zukommen sahen, erklärte Socrates mir: „Manchmal muss man sich erst mit der Dunkelheit auseinandersetzen, ehe man das Licht sehen kann.“ Diese Worte haben für uns alle prophetische Bedeutung






Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Es gibt kein Aussen ohne Innen, keine Höhen ohne Tiefen. Überall, wo etwas offenbart wird, bleibt auch irgendetwas verborgen. Nationen, Organisationen, spirituelle Gruppen, Religionen und Kulturen – sie alle haben ihren kollektiven Schatten. Doch hier geht es um deinen persönlichen Schatten, den du akzeptieren und wieder in deine Persönlichkeit integrieren musst, um das 9.Tor durchschreiten zu können. Denn, wie CGJung postuliert, gibt es kein Licht ohne Schatten und keine psychische Ganzheit ohne Unvollkommenheit.






In der bezaubernden Geschichte von JamesBarrie verliert PeterPan im Hause der Darlings, wo er Wendy beim Erzählen von Gutenachtgeschichten belauscht hat, seinen Schatten. Er muss diesen Schatten um jeden Preis finden, selbst auf die Gefahr hin, entdeckt zu werden – als der gesehen zu werden, der er ist. So wie ihm geht es uns allen.






Ohne seinen Schatten fühlt Peter sich unvollkommen, und das ist es auch. Ob Barrie den tieferen Sinn seiner Geschichte wirklich begriffen hat od ab sie einfach nur seinem kreativen Unterbewusstsein entsprang, ist nicht so wichtig wie die Wahrheit, die diese Geschichte uns offenbart: dass wir alle unseren Schatten wieder finden müssen.






Test:


1.Begegnung mit deinem Schatten






Wie bei den bisherigen Toren ist es auch hier sinnvoll, erst einmal über ein paar Fragen nachzudenken:






1. Wenn dich jemand beleidigt od beschimpft od dir etwas vorwirft, verteidigst du dich dann automatisch?


2. Wie oft hast du schon gestohlen od gelogen? Bist du sicher?


3. Ärgert es dich manchmal, wenn du mehr gibst, als du erhältst?


4. Bekommst du von den Geschenken des Lebens den Anteil, der dir deiner Meinung nach zusteht?


5. Nimmst du deinen Eltern die Fehler übel, die sie gemacht haben?


6. Hast du das Gefühl, mehr für deinen Ehepartner od Lebensgefährten zu tun als er/sie für dich?


7. Kennst du dich selbst?


8. Bist du ein guter Mensch? Bist du gleichzeitig auch ein schlechter Mensch?


9. Nenne 2 od 3 Charakterzüge od Verhaltensweisen, die dich an anderen Menschen am meisten stören. Gibt es einen Teil deiner Persönlichkeit, der sich gern genauso verhalten würde?






Beim Durchgang durch dieses Tor werden dir vielleicht ein paar erleuchtende Erkenntnisse kommen, denn wenn du deinen Schattenbereich erforschst, wird dir klar, dass jeder Mensch ein wenig von den Eigenschaften der ganzen Menschheit in sich trägt. Du wirst ein echterer Mensch werden und mehr Mitgefühl für andere empfinden.






Wirf Licht in deinen Schattenbereich






„Der Schatten ist die Summer jener Seiten deiner Persönlichkeit, die du verleugnest und abwertest.


Anders gesagt: Dein Schatten ist das, was du auf gar keinen Fall sein möchtest.“


CGJung






Stell dir vor, du bringst eines Tages einen grossen Wolfshund mit nach Hause, den die anderen Menschen, mit denen du zusammen lebst, nicht mögen. Irgendwann magst du ihn dann whs auch nicht mehr und sperrst ihn in den Keller. Dieser Wolfshund hat durchaus positive Eigenschaften – er ist treu, mutig und sensibel – aber er kann auch sehr stark, ja sogar wild und bösartig sein. Also erzählst du den anderen, dass er nicht mehr da ist. Du leugnest, dass er immer noch in deinem Haus lebt, und nach einer Weile vergisst du seine Existenz völlig. Aber er ist immer noch da und wird immer wilder und bedrohlicher. Wenn du ihn doch nur ans Tageslicht holen und zu ihm stehen würdest! Warum lässt du ihn nicht draussen herumlaufen und spielen und machst dir seine Kraft zu nutze? Er könnte zB deinen Schlitten durch den Schnee ziehen od dein Haus beschützen. Dadurch, dass du ihn verleugnest, beraubst du dich seiner Kraft und seiner positiven Eigenschaften. Vielleicht bricht er ja eines Tages aus seinem Keller aus – eine beutegierige, zerstörerische Bestie. Zumindest fürchtet ein Teil deines Ichs das. Und dabei ist er in Wirklichkeit nur ein allein gelassener, im Keller eingesperrter Wolfshund mit vielen verschiedenen – nicht nur schlechten – Eigenschaften.






Dein persönlicher Schatten besteht aus allen Charaktereigenschaften, die du verleugnest, unterdrückst, verdrängst – er ist der Staub, den du unter den Teppich deines Bewusstseins kehrst. Diese abgelehnten Seiten deines eigenen Ichs müssen nicht unbedingt schlecht, unmoralisch od negativ sein. Aber sie wirken vielleicht so, und deshalb verleugnest du sie. Wenn du in einer pazifistischen Familie aufgewachsen bist, wirst du wahrscheinlich die forsche, aggressive Seite deiner Persönlichkeit ablehnen. Wenn du dagegen aus einer Familie stammst, in der Konkurrenzkampf grossgeschrieben wurde, stört dich vielleicht deine sanfte, sensible Seite. Alles, was du – aus welchem Grund auch immer – an dir ablehnst, wird zu einem Teil deines Schattens.






Dein Schatten enthält auch Charaktereigenschaften, die durchaus positiv sein können. Viele Männer, die Angst ablehnen, schieben ihre sensiblen, liebevollen, kindlichen Eigenschaften in ihren Schattenbereich ab. Viele Frauen, für die Zorn etwas Negatives ist, verbannen ihre forschen, starken, kämpferischen Qualitäten ins Reich des Schattens. Asoziale Menschen leben die Eigenschaften aus, die ihre Gesellschaft ablehnt, und verleugnen ihre Angst, Verwirrung und Verletzlichkeit, ja sogar Mitgefühl, weil sie solche Eigenschaften für Schwäche halten.






Realität, Licht und Schatten






Alles auf der Welt trägt seinen Gegenpol in sich. Jeder Clown, jeder Komödiant hat seine traurige, zynische Seite, und jeder liebenswürdige Mensch hat einen verdriesslichen Schatten. In jedem Pessimisten steckt ein hoffnungsfroher Optimist, und unter der Oberfläche des Puritaners lauert ein ausschweifender Geniesser, der um Sex und Schokolade bettelt. Die Wahrheit des Schattens lautet: Du trägst alle Eigenschaften in dir – Höhen und Tiefen, den Heiligen und den Sünder, den Moralapostel und den Lüstling. Und was ist daran eigentlich so falsch? Sollten wir uns denn nicht auf das Positive konzentrieren und das Negative meiden, uns ans Gute halten und das Böse scheuen?






Deinen Schattenbereich zu erleuchten, bedeutet nicht, den Teufel zum Abendessen einzuladen od dein Verhalten von dienen negativen Eigenschaften und Impulsen lenken zu lassen. Im Gegenteil: Wenn du deine dunkle Seite erkannt hast, kannst du viel klarere Entscheidungen darüber treffen, wie du dich verhalten willst. Wenn ich zB weiss, dass ein Teil meiner Persönlichkeit zur Faulheit neigt, kann ich mich ganz bewusst hinter meine Arbeit klemmen, statt meiner Neigung zur Vermeidung von Anstrengungen nachzugehen.






Das Streben nach Echtheit, Selbsterkenntnis und Selbstachtung










Für manche Menschen ist Persönlichkeitsentwicklung ein endloses Programm ständiger Selbstverbesserung: sie arbeiten dauernd an sich, um liebenswertere, glücklichere, selbstsichere Menschen zu werden. Viele Menschen sind nur deshalb unsicher, weil sie ihre Selbstachtung auf einer künstlichen, konstruierten Maske aufgebaut haben. So entsteht keine Selbstachtung, sondern Selbstbild-Achtung. Sogar begabte, wohlhabende und erfolgreiche Menschen bleiben innerlich ruhelos, ängstlich und unsicher, wenn sie ihr wahres Gesicht hinter einer sozialen Maske verbergen. Wirkliche Selbstachtung kann man nur durch Authentizität, durch den unverfälschten Ausdruck der eigenen Persönlichkeit erlangen – und durch Mitgefühl mit sich selbst. Und diese beiden Eigenschaften entwickelt man erst dann, wenn man sowohl sein Licht als auch seinen Schatten erkennt und akzeptiert. Das Annehmen des eigenen Schattens ist eine der tiefgreifendsten Persönlichkeitsveränderungen, zu denen ein Mensch in der Lage ist, und nicht ohne grössere moralische Anstrengung möglich, wie CGJung feststellt. Denn dabei muss man die dunklen Seiten seiner Persönlichkeit als gegenwärtig und real akzeptieren.






Du kannst dich nicht annehmen – geschweige denn du selbst – wenn du dich nicht kennst. Sobald du dich kennst und akzeptierst – sobald du du selbst wirst – kannst du auch die anderen Menschen in deiner Welt akzeptieren und in Harmonie mit ihnen leben.






Sobald du dich selbst so annehmen kannst, wie du bist, wirst du auch das Mitgefühl aufbringen, deinen Partner, deine Eltern, deine Kinder und Freunde so zu akzeptieren, wie sie sind. Dann wird die Welt zu einer Party, bei der jeder sich so geben darf, wie er ist. Und wenn deinen Schatten und deine Weilt annimmst, eröffnet dir das paradoxerweise den Weg zu vielen Veränderungen. Dann erkennst du nämlich, wie ermüdend die soziale Fassade sein kann, die du bisher aufrechterhalten hast. Mit dieser Erkenntnis wird das Leben für dich eine Chance zu entspanntem innerem Wachstum und ist keine ständige Flucht vor der Minderwertigkeit mehr. Du verbesserst dich selbst immer weiter, ohne irgendjemandem etwas beweisen zu müssen. Du wirst mehr und mehr zu dem Menschen, der du bist.






Warum muss man seinen Schattenbereich erkunden?






Die Realität ist ein Tanz der Polaritäten: Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit, Oben und Untern. Natürlich ist es viel angenehmer sich unserer lichten Seite – unseren Hoffnungen und Träumen – hinzugeben, als unsere Schattenseite zu erforschen. Warum also sollen wir die Büchse der Pandora öffnen? Wenn es Teile deiner Persönlichkeit gibt, die du nicht magst, warum kannst du sie dann nicht einfach auf sich beruhen lassen – nach dem Motto: „Schlafende Hunde soll man nicht wecken“? Da dein Schatten per definitionem etwas ist, was du lieber nicht betrachten möchtest, würdest du die Aufgabe, ihn zu akzeptieren, vielleicht lieber auf später verschieben. Viel später.






Das Licht war schon immer beliebter als der Schatten. Doch obwohl die Erforschung des 9.Tores nicht zu den leichtesten od angenehmsten Aufgaben in diesem Buch gehört, wird sie vielleicht die grösste innere Wandlung in dir bewirken: Dieses Tor wird dich zu Selbsterkenntnis, Mitgefühl, Vergebung, Freiheit und unverfälschtem Ausdruck deiner eigenen Persönlichkeit hinführen. Es gibt viele Gründe, warum du deine dunklere Seite erleuchten, annehmen und wieder in deine Persönlichkeit integrieren solltest:






 Du wirst dadurch wieder ein ganzer Mensch.


o Indem du deine Schatteneigenschaften freudig akzeptierst, erweiterst du das Repertoire deiner Gefühle, Neigungen, Impulse und Charaktereigenschaften – erst jetzt steht dir die ganze Skala menschlicher Möglichkeiten offen, mit allen Höhen und Tiefen. Und sobald du in dir selbst vollständig bist, bringst du diese Ganzheit auch in all deine Beziehungen ein und wirst somit auch einen ganzen, innerlich ausgewogenen Partner suchen.


 Du gewinnst dadurch an Echtheit und Unverfälschtheit.


o Vielleicht wirst du jetzt sagen: „Ich bin kein Engel – manchmal kann ich sogar ziemlich unhöflich sein. Ich mache viele Fehler. Eigentlich bin ich zu selbstkritisch. Ich brauche meinen Schatten gar nicht mehr kennen zu lernen, ich sollte lieber die lichte Seite meiner Persönlichkeit mehr zu schätzen wissen.“ Die meisten Menschen haben Schwierigkeiten damit, entweder ihre Schatten- od ihre Lichtseite zu akzeptieren. Doch bei diesem Tor geht es nicht darum, sich auf seine guten od schlechten Eigenschaften zu besinnen, sondern ein ganzer, echter Mensch zu werden. Indem du deinen Schatten erleuchtest, gewinnst du gleichzeitig dein Licht zurück. Solange du dich nicht für die ganze Skala deines Menschseins öffnest – für deine Weisheit ebenso wie für deine Torheit – wirst du immer irgendwie das leise Gefühl haben, dass du eigentlich gar nicht richtig existierst und der Welt nur einen Teil deiner selbst zu enthüllen wagst. Die meisten von uns fürchten, dass die anderen Menschen sie ablehnen könnten, wenn sie sie wirklich kennen würden. Deshalb zeigen wir der Welt immer nur einen kleinen Teil von uns. Doch sobald du deinen Schatten erkennst und akzeptierst, hast du nichts mehr zu verbergen. Dann gewinnst du die Unverfälschtheit und den Charme eines kleinen Kindes zurück.


 Du bekommst wieder Kontrolle über dein Leben.


o Dein Schatten ist per definitionem das, was du bisher noch nicht gesehen hast. Und gerade das, was du nicht siehst, kann dich verletzen od Kontrolle über dich ausüben, denn die Dinge, die du verleugnest, können irgendwann in destruktiver Form aus den Tiefen deines Unterbewusstseins auftauchen. Hier nur ein Beispiel dafür:


 Vor einiger Zeit erschien in der Presse ein Artikel über eine angesehene Schriftstellerin. Sie hatte das Manuskript eines Romans 4 grossen Verlagen angeboten und wollte dem meistbietenden den Zuschlag geben. Doch im letzten Augenblick sprangen 3 der 4 Interessenten ab, sodass nur noch ein einziger Verlag übrig war. „Ein Teil meines Ichs, von dessen Existenz ich bisher nichts gewusst hatte, beschloss, diesem Verleger nichts davon zu sagen, dass die anderen kein Interesse mehr hatten“, erklärte die Autorin später. Der Verleger bot eine ziemlich hohe Garantiezahlung für das Manuskript. Doch als er erfuhr, dass die anderen 3 Interessenten abgesprungen waren, zog er sein Angebot wieder zurück. Hätte die Schriftstellerin vorher gewusst, dass ein Teil ihrer Persönlichkeit zu so unredlichem Verhalten fähig war, hätte sie vielleicht reiflicher über ihr Verhalten nachgedacht und wäre anders mit der Situation – und mit sich selbst – umgegangen.


o Diesen Teil ihrer selbst, „von dem sie gar nichts wusste, dass es ihn gibt“, kennen beispielsweise auch jene spirituelle Lehrer, deren habgieriger Schatten mit dem Geld der Schüler des Ashrams durchbrannte, od die Fernsehpriester, deren lüsterner Schatten heimlich mit Prostituierten schlief.


o Du kannst deinen Schatten erhellen, indem du abgelehnte Charaktereigenschaften wie Aggressivität od Gewalt auf konstruktive Weise zum Ausdruck bringst und abreagierst – zB beim Sport od Kampfsport. Ein sehr ehrlicher Mensch mit einer unehrlichen Schattenseite könnte zB Phantasiegeschichten für Kinder erfinden, Schriftsteller od Schauspieler werden. Wir müssen die unredlichen od lüsternen Seiten unserer Persönlichkeit unbedingt verleugnen od unterdrücken, um gute Staatsbürger zu sein – wir dürfen sie nur nicht mit Leben erfüllen. Du brauchst die lieblose Seite deines Charakters nicht zu verleugnen, akzeptiere sie und verhalte dich trotzdem liebevoll gegenüber deinen Mitmenschen. Gerade diejenigen, die sich übertrieben bemühen, gute od friedfertige Menschen zu sein, und den Gegenpol ihrer Persönlichkeit völlig zu verleugnen, werden wahrscheinlich irgendwann unangenehme Bekanntschaft mit diesem Gegenpol machen.


 Du entwickelst mehr Mitgefühl.


o Als ich meine verantwortungslosen, faulen, unreifen, selbstsüchtigen, unehrlichen, schwachen, ängstlichen, rücksichtslosen und manipulatorischen Teilpersönlichkeiten kennen lernte, fiel es mir plötzlich viel schwerer, andere Menschen zu verurteilen. Wir gehen Menschen, die sich als etwas ausgeben, was sie gar nicht sind, gern aus dem Weg, lachen über sie od haben eine schlechte Meinung von ihnen – so lange, bis wir bei uns selbst ähnliche Ängste und Heucheleien entdecken.


o Bei der Schattenarbeit geht es nicht um Selbstkritik – nicht darum, sich selbst zu ertappen wie einen Verbrecher im Dunkeln. Werturteile treiben deine verborgenen Charaktereigenschaften nur noch tiefer in die Höhle der Selbstverleugnung hinein, wie einen verängstigten Wolfshund. Stattdessen solltest du deinen Schatten lieber im Haus deines Geistes willkommen heissen. Erforsche deinen dunklen Wald, lass Licht in ihn eindringen – nicht, indem du dir mit dem Schwert des Urteils einen Weg hindurchbahnst, sondern indem du ein Leuchtfeuer des Mitgefühls darin anzündest.






Ich glaube, letzten Endes bleibt einem nichts andere übrig, als sein Leben in die Arme zu nehmen


ArthurMiller






 Du befreist die Energie und Aufmerksamkeit, die bisher dazu benötigt wurde, dein idealisiertes Selbstbild aufrechtzuerhalten.


o Kennst du dich selbst bereits? Hast du deinen Schattenbereich schon erleuchtet? Hast du durch den Spiegel deiner Beziehungen einen Blick auf jene Schicht geworfen, die unter dem Furnier deiner persönlichen Ausstrahlung und deines Selbstbilds liegt? Wenn ja, dann kannst du jetzt dir selbst gegen über eingestehen: „Ich bin ein Moralapostel und ein Lüstling; ich bin arrogant, egoistisch, dumm, heuchlerisch, habgierig, rücksichtslos, angeberisch und voreingenommen, ein Rassist und Sexist. Das ist zwar nicht meine ganze Persönlichkeit, aber ein Teil davon.“ Wenn du deinen Schatten kennen lernst und annimmst, wirst du an dir selbst weniger zu verteidigen und an anderen Menschen weniger zu verdammen haben.


 Du ebnest dir den Weg durch die nächsten Tore.


o Solange du die dunkeln Seiten deiner Persönlichkeit nicht siehst, bist du wie ein Gast auf einem Maskenball: Du verliebst dich in andere Masken, doch es findet nie ein wirklicher Kontakt von Herz zu Herz statt. Indem du dich von deinem Schatten abwendest, kehrst du gleichzeitig auch deinem Licht den Rücken zu. Sobald du gesehen hast, was es in diesem Schattenreich zu sehen gibt, und deine eigene Realität kennst, bist du viel besser darauf vorbereitet, dich deiner Sexualität zu öffnen, dein Herz zu erwecken und deiner Welt zu dienen.






Wie du deinen Schatten finden kannst






Wenn die Schattenseite deiner Persönlichkeit deinem Bewusstsein per definitionem unbekannt ist – verborgen im labyrinthischen Irrgarten deines Unterbewusstseins – wie kannst du sie dann finden od gar akzeptieren und willkommen heissen?






 Träume


 Meditation


 Selbstbeobachtung in den Beziehungen


 Schreiben, Schauspielern, Malen


 Gleichgewichtsfindung


 Selbsterkenntnis


 Nachdenken und Versenkung






Träume






Träume sind der Spielplatz deines Schattens. Erwohnt in der unwirklichen Landschaft deiner Träume und offenbart sich dir durch deinen eigenen reichen Vorrat an verschlüsselten, symbolischen Bildern. Wenn du dein Gedächtnis erforschst, um Hinweise auf deinen Schatten zu erhalten, denke daran, dass jedes Symbol und jede Gestalt, die in einem Traum auftaucht, ein Aspekt der Persönlichkeit des Träumenden ist. Mutter, Vater, Fremder, Heiliger, Vampir, Clown, Hexe, Wolf, Schlange, Verbrecher, Prinzessin ua archetypische Bilder – sie alle sind Seiten deines Schattens, deines Selbst.






Meditation






Die Meditation ist nicht nur eine gute Methode, um Einblick in das Wesen deines Denkens zu erhalten, sondern gleichzeitig auch einer der wichtigsten Wege, um Bekanntschaft mit dem eigenen Schatten zu schliessen. Bei der Meditation offenbaren sich ebenso wie in deinen Träumen Inhalte deines Unterbewusstseins, die du vor der Welt und vor deinem eigenen Bewusstsein versteckst. Beichten ist gut für die Seele, und Meditation ist eine Form der Beichte und Katharsis. Beim Meditieren steigen Schattengedanken aus Bereichen der Dunkelheit und des Lichts an die Oberfläche deines Bewusstseins, sodass du sie wahrnehmen und loslassen kannst. Die Wahrheit, von der du gefürchtet hast, dass sie dich zerstören könnte, ist in Wirklichkeit die Wahrheit, die dich befreien kann.






Beobachte dich selbst in deiner Beziehung zu anderen Menschen






Deine Beziehungen und Kontakte zu anderen Menschen – va jene, die dir emotional etwas bedeuten – verraten viel über deine Schattenseite. Beobachte einmal, was dich an anderen Menschen am meisten stört od ärgert. Das sind die Gestalten deines eigenen Schattens – jene Eigenschaften, die du am heftigsten abstreiten würdest, wenn man sie dir unterstellte.






Wenn wir einen Menschen hassen, so hassen wir in seinem Bild etwas, was in uns selber ist.


Was nicht in uns selber ist, das regt uns nicht auf.


HermannHesse






Dein Schatten lebt ein geheimes Leben: Triebkräfte, Impulse, unerkannte Gefühle, unterdrückte Rollen, die danach schreien, endlich zum Ausdruck gebracht zu werden. Wenn du Licht in diese Teile deiner Persönlichkeit bringst, kannst du ihren Ausdruck in positive, konstruktive Richtungen lenken.






Schreiben, Malen und Schauspielerei






Wenn du Tagebuch führst, ein Bild malst od auf einer Theaterbühne stehst, kannst du all deine Gedanken und Gefühle ungehemmt zum Ausdruck bringen. Das eröffnet einen Kommunikationskanal zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein. Dadurch verwandelst du dich in die facettenreichen Figuren deines eigenen Lebensromans od –dramas.






Finde dein Gleichgewicht






In jeder Brust wohnen 2 Seelen, so wie 2 Menschen in einem Ruderboot sitzen – der eine ist Wissenschaftler und der andere Mystiker; der eine Demokrat, der andere Republikaner; der eine reich, der andere arm; der eine Mann, der andere Frau; der eine Idealist, der andere Pragmatiker. Durch die Doppelnatur des menschlichen Bewusstseins kommt es zu einem ständigen Tauziehen zwischen gegensätzlichen Wertvorstellungen. Trotzdem müssen diese Polaritäten deiner Persönlichkeit lernen, miteinander zu kooperieren, wenn sie das andere Ufer erreichen wollen. Oder wie BejaminFranklin gesagt hat, als er die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnete: „We must includ all hang together, or most assuredly, we shall all hang separately.“ („Wir müssen alle zusammenhalten, sonst wird es jedem einzelnen von uns ganz sicher an den Kragen gehen.“)






Hilfe zur Selbsterkenntnis






Du kannst dir auch Zugang zu deinem Schatten verschaffen, indem du dich selbst durch eine Art innere Linse beobachtest. Im Spiel der Polaritäten neigen wir dazu, eine Seite unserer Persönlichkeit positiver zu bewerten als die andere. Die entgegengesetzte Eigenschaft wird dann zum Teil unseres Schattens. Das Modell der folgenden 9 Polaritäten wurde erstmals von ProfOscarIchazo enthüllt, einem genialen spirituellen Lehrer unserer Zeit. Denke einmal eingehend über diese Polaritäten nach, denn sie liefern dir Schlüssel zu einem erleuchteten Verständnis der Schattenseite deiner Psyche:






1. Puritaner – Geniesser: In jedem Puritaner steckt ein Geniesser, in jedem Geniesser steckt ein Puritaner (vv = vize verso)– und die beiden verleugnen sich gegenseitig.


2. Eingebildeter Pfau – ängstliches Küken: In jedem eingebildeten Pfau steckt ein ängstliches Kücken, vv. und beide lassen kein gutes Haar aneinander.


3. Arbeitstier – Faulpelz: dito und insgeheim beneidet jeder den anderen


4. Betriebsnudel – einsamer Wolf: do und beide verabscheuen einander


5. Alleswisser – Zweifler: do und der eine treibt den anderen auf die Palme


6. Kompetenter Mensch – Bluffer: do und die beiden bekommen ständig Streit miteinander


7. Menschen mit Teamgeist – Rebell: do und die beiden können einander nicht ausstehen.


8. Sturer Mensch – Gefühlsmensch: do aber die beiden verleugnen sich gegenseitig


9. Gläubigen – Skeptiker: do und die beiden lehnen sich ab.






Die wenigsten von uns haben nur eine Seite dieser Polaritäten in sich ausgeprägt. Bei der Arbeit verhältst du dich vielleicht ziemlich kaltblütig, aber dafür bist du in deinem Privatleben gefühlsbetonter (od umgekehrt). Was das Essen anbelangt, bist du vielleicht ein Puritaner, was den Sex angeht, eher ein Hedonist. In deinem Wachbewusstsein magst du eine Betriebsnudel sein, doch in deinen Träumen und Tagträumen kommt der einsame Wolf zum Vorschein. Vielleicht bist du sogar wie der Schriftsteller LeoTolstoj und die heilige TheresiaVonAvila in der ersten Hälfte deines Lebens ein sinnenfreudiger Geniesser und entwickelst dich erst in der 2.Lebenshälfte zum sittenstrengen Menschen.






Wenn du diese Charakterseiten und Werte, die du vorher abgelehnt hast, wieder in deine Persönlichkeit integrierst, wirst du zu einem harmonischeren Gleichgewicht in deinem Leben finden. Ausgewogenheit, Weisheit und die richtige Lebensperspektive kommen ganz von selbst, wenn du deinen Schatten akzeptierst und wieder ein ganzer Mensch wirst.






Nachdenken und Versenkung






Es ist schwierig, sich selbst richtig kennen zu lernen, denn die meisten Menschen achten nur auf jene Seiten ihrer Persönlichkeit, mit deren Hilfe sie sich ein akzeptables, positives Bild von sich selbst aufbauen können. Mit der Zeit verbannen wir alle Erinnerungen, die nicht in dieses idealisierte Selbstbild passen, in ein Schliessfach, das als unser Schatten bezeichnet wird. Meist erinnern wir uns noch sehr genau an die Schwierigkeiten, die andere Menschen uns gemacht haben, aber die Probleme, die wir den anderen bereitet haben, vergessen wir. Wir messen unseren glanzvollen Augenblicken übertriebene Bedeutung zu und schreiben unsere eigene Lebensgeschichte um. Normalerweise tun wir das nicht bewusst od gar mit Absicht, aber es ist dennoch eine typisch menschliche Verhaltensweise. Je idealisierter das Bild ist, das wir von uns selbst haben, umso frustrierter sind wir, wenn das Leben unsere Erwartungen nicht erfüllt. Je realistischer wir unseren Schatten sehen, umso bescheidener, mitfühlender und dankbarer für die unverdienten Geschenke des Lebens werden wir.






Daraus ergibt sich die Frage: Wie können wir unser Leben erforschen und unsere Schattenseite kennen lernen, um uns selbst realistischer zu sehen – als echtes, ganzes menschliches Wesen und nicht mehr als lächelnde Pappfigur? Wie können wir durch die schmeichelhaften Verzerrungen unseres Selbstbilds hindurch – und darüber hinaussehen, um zu wahrer Selbsterkenntnis zu gelangen?






Eine Möglichkeit dazu ist die Versenkung. Im Gegensatz zur Meditation – einer distanzierten Beobachtung sämtlicher Dinge, die im Bewusstsein aufsteigen – ist die Versenkung ein bewusstes, konzentriertes Nachdenken über eine bestimmte Frage od ein bestimmtes Thema, das zu Selbsterkenntnis und neune Einsichten führt. Ich möchte dir nun eine sehr wirkungsvolle Versenkungsmethode vorstellen, mit deren Hilfe du den Schattenbereich deines Alltagslebens erforschen kannst.






Konfliktlösung von Naikan: Der 3-Fragen-Realitäts-Check


(von IshinYoshimoto, buddh.Laienpriester)






Naikan bedeutet „nach innen schauen“. Der Hauptzweck besteht darin, eine umfassendere, realistischere Sicht der eigenen Persönlichkeit zu entwickeln.






Wähle irgendeinen Menschen aus, den du kennst, und denke einmal über deine Beziehung zu diesem Menschen innerhalb eines begrenzten Zeitraums nach – das kann der heutige Tag, der letzte Monat, das letzte Jahr od die letzten 3 Jahre sein. Und dann frage dich:






 Was habe ich von . . . bekommen?


 Was habe ich . . . gegeben?


 Was für Probleme od Schwierigkeiten habe ich . . . bereitet?






Schreibe zu jeder einzelnen Frage kurze, aber präzise Antworten auf.






Vielleicht möchtest du über deine Beziehung zu deinem Ehe- od Lebenspartner, einem Bruder od einer Schwester, einem Freund od Geschäftspartner nachdenken – doch normalerweise wendet man den 3-Fragen-Realitäts-Check zuerst auf seine Eltern an und beginnt mit seiner Mutter.






Wenn wir unser Leben wirklich einer eingehenden Prüfung unterziehen wollen, ist es notwendig und wichtig, uns die Probleme und Schwierigkeiten einzugestehen, die wir anderen bereiten. Deshalb empfiehlt Yoshimoto, uns für die Beantwortung der 3.Frage am meisten Zeit zu nehmen – sie ist die wichtigste und gleichzeitig auch die schwierigste.






Im folgenden Bsp analysiere ich meine Beziehung zu meiner Mutter, als ich etwa 10-14 Jahre alt war:






Was habe ich bekommen?


Der Nutzen dieser 1.Frage hängt davon ab, wie gut du dich noch an Einzelheiten erinnern kannst; Verallgemeinerungen wie „Sie hat immer alles für mich getan“ bringen nicht viel. Zu solchen speziellen Erinnerungen kann zB folgendes gehören: „Meine Mutter hat über 1000x Abendessen für mich gemacht. Sie hat mich jeden Tag zur Schule gefahren. Sie hat viele Stunde damit zugebracht, meine Hausaufgaben durchzusehen. Sie hat meine Kleider gewaschen und sorgfältig zusammengelegt.“ (Hüte dich davor, die Bemühungen eines Menschen abzutun, nur weil du sie für dessen Aufgabe od Pflicht hältst. Die Absicht od Motivation hinter den Geschenken, die du erhalten hast, ist nicht so wichtig wie die Tatsache, dass du von den Bemühungen eines anderen Menschen profitiert hast).






Was habe ich gegeben?


Auch die Antworten auf diese Frage sollten ganz präzise sein. Es ist nicht besonders sinnvoll, wenn ich jetzt schreibe: „Meine Mutter war immer stolz auf mich, weil ich gute Zeugnisse bekam“ (denn in Wirklichkeit habe ich damit etwas für mich selbst getan, nicht für sie“). Stattdessen müsste ich ganz andere Dinge aufzählen: „Ich habe ihr Wohnzimmer gestrichen. Ich habe im Sommer gejobbt und ihr von diesem Geld zum Geburtstag Blumen und Ohrringe gekauft“.






Was für Probleme od Schwierigkeiten hatte sie durch mich?


Wohlgemerkt diese 3.Frage fehlt in diesem Realitäts-Check. Wie die meisten anderen Menschen hatte ich es ohnehin schon zu einer wahren Meisterschaft darin gebracht festzustellen, was für Schwierigkeiten od Unannehmlichkeiten mir andere Leute breiten. Doch als mir dann bewusst wurde, wie oft ich die Ursache von Sorgen, Problemen od Unannehmlichkeiten für meine Mitmenschen gewesen war (was ich vorher vergessen od einfach als unwichtig abgetan hatte), veränderten meine innere Einstellung und mein Verhaltne sich dadurch mehr als bei sämtlichen Seminaren zur Persönlichkeitsentwicklung, an denen ich je teilgenommen hatte. Beim Nachdenken über die Schwierigkeiten, die ich meiner Mutter bereitet hatte, überwältigte mich die Erinnerung an die vielen Male, wo ich krank gewesen war und sie einfach nachts aufweckte od wach hielt, ohne daran zu denken, dass sie am nächsten Morgen zeitig aufstehen und zur Arbeit gehen musste; an die Sorgen, die ich ihr dadurch mein zu schnelles Fahren bereitet hatte; an eine laute Party mit Schulkameraden, die bist spät in die Nacht hinein dauerte; und daran, wie ich mich immer beschwerte, wenn sie mir nicht die richtige Sorte Kartoffelchips gekauft hatte. Nach und nach stiegen immer mehr solche schmerzlichen Details in meiner Erinnerung auf.






Als ich über meine Beziehungen zu anderen Menschen nachdachte – was ich von ihnen bekam, was ich ihnen gab und was für Probleme od Schwierigkeiten ich ihnen bereitete – nahm eine Realität vor meinen Augen Gestalt an, die viel weniger schmeichelhaft war als die Dinge, die ich normalerweise immer in Erinnerung behielt. Dadurch veränderte sich meine ganze Einstellung: Statt meiner vorherigen vagen Ressentiments empfand ich jetzt plötzlich Dankbarkeit. Statt mich wie bisher darauf zu konzentrieren, was die anderen mit meiner Ansicht nach schuldig waren, hatte ich nun den intensiven Wunsch, Schulden zurückzuzahlen, die mir vorher gar nicht bewusst gewesen waren. Ich hatte begonnen, meinen Schattenbereich zu erleuchten und ein ganzer Mensch zu werden.






Die 3 Minuten Bestandsaufnahme am Ende eines jeden Tages






Sich jeden Abend ein paar Minuten Zeit für den 3Fragen-Realitäts-Check zu nehmen, ist – neben allen anderen, bereits beschriebenen Vorzügen dieser Methode – die wirksamste Konfliktlösungsstrategie, die ich kenne. Wenn du dich selbst realistisch betrachtest – einschliesslich der Schwierigkeiten, die du anderen bereitet hast – erwacht ein Mitgefühl in dir, das Konflikte lösen kann. Wenn du wütend auf einen Ehepartner od Lebensgefährten, Geschäftspartner od Nachbarn bist, so stelle dir die 3 Fragen:






 Was habe ich bekommen?


 Was habe ich gegeben?


 Was für Probleme habe ich verursacht?






Du wirst feststellen, dass dein Zorn sich schon nach kurzem Nachdenken in Dankbarkeit verwandelt. Statt den anderen zu kritisieren, betrachtest du ihn mit Mitgefühl, liebender Güte und Freundlichkeit, statt ein idealisiertes Bild von dir selbst vor Augen zu haben, siehst du jetzt alles aus der richtigen Perspektive. Eine solche Selbsterforschung kann mit der Zeit sogar zu einer Art Gebet werden.






Vor einiger Zeit waren meine Frau und ich nach der Rückkehr von einer Reise beide müde und gereizt und bekamen Streit miteinander. Zornig ging ich in mein Arbeitszimmer hinauf. Trotzdem nahm ich mir ein paar Minuten Zeit, um über den Tag nachzudenken, und begann mit der Frage, was ich an diesem Tag von meiner Frau bekommen hatte. Zu meinem eigenen Erstaunen erinnert ich mich daran, dass sie die Flugtickets für mich aufbewahrt, sich angestellt und mir etwas zu essen geholt hatte, und sie hatte auch noch andere dinge für mich getan, die ich als selbstverständlich betrachtet und gleich wieder vergessen hatte. Dann versuchte ich mir ins Gedächtnis zu rufen, was ich ihr gegeben hatte: Aber ausser dass ich ihr Gepäck im Mietwagen verstaut und uns beide zum Flughafen gefahren hatte, fiel mir nichts ein. Und als ich meine Aufmerksamkeit auf die Probleme und Schwierigkeiten richtete, die ich ihr bereitet hatte, überwältigten mich Schuldgefühle – ich erinnerte mich an meine verletzenden Worte und daran, wie ich unachtsam Saft über ihr Kleid und den Brief geschüttet hatte, den sie gerade schrieb. All diese dinge hatte ich sofort wieder beiseite geschoben und vergessen. An diesem Abend ging ich nur mit dem Wunsch zu ihr hinauf, mich für die Schwierigkeiten zu entschuldigen, die ich ihr gemacht hatte, nett zu ihr zu sein und sie um Verzeihung zu bitten – die mir mit einem Kuss gewährt wurde.






Es ist seltsam: Früher vergab ich meinen Mitmenschen ihre Fehler und kleinen Unterlassungssünden. Inzwischen ist mir klar geworden, dass es nicht meine Aufgabe ist, anderen zu verzeihen, sondern sie um Verzeihung zu bitten. Das hat mein Schatten mich gelehrt.






Selbsterforschung, Selbstbild und Selbstwertgefühl






Damit verlassen wir das 9.Tor – Erleuchte deinen Schatten. Zum Schluss möchte ich noch einmal auf das Thema Selbstwertgefühl zu sprechen kommen. Das spielt auch in diesem Kapitel eine sehr wichtige Rolle, denn wenn du – vor allem durch den 3Fragen-Realitäts-Check – deinen Schattenbereich erforschst, wird dein Selbstwertgefühl dadurch wahrscheinlich insoweit sinken, als es nur auf einem illusorischen, schmeichelhaften Selbstbild beruhte. Doch gleichzeitig bietet dieses Verfahren dir ein viel vollständigeres, ausgewogeneres, realistischeres Bild deines Verhaltens und deiner Beziehungen zu anderen Menschen. Letzten Endes ist es eine grosse Erleichterung, wenn man zu der Erkenntnis kommt: Ich bin nicht 100%ig in Ordnung, meine Mitmenschen sind nicht 100%ig in Ordnung – und das ist ganz in Ordnung so.






Ich habe diesen Preis nicht verdient, aber ich habe Arthritis, und das verdiene ich auch nicht.


JackBenny






Die Erforschung deines Schattenbereichs wird dir deutlich machen, dass du die Wohltaten des Lebens nicht etwas durch deine guten Werke verdient hast, sondern dass der GEIST dich ständig unterstützt und segnet – ob du nun glaubst, das zu verdienen od nicht. Die Sonne, die Luft und das Vogelgezwitscher, die Liebe und Unterstützung deiner Familie od deiner Freunde sind immer da. Der GEIST überschüttet dich jeden Tag auf 100 verschiedene Arten mit seinen Geschenken (Segnungen). Das ist nicht nur eine sentimentale Binsenweisheit, sondern eine Realität, die sich dir von Augenblick zu Augenblick offenbaren wird, wenn deine Aufmerksamkeit frei dafür ist.






Nachdem du dich selbst so gesehen hast, wie du bist, und sowohl dein Licht als auch deinen Schatten akzeptieren kannst, wirst du nicht mehr vom Gefühl deines eigenen Werts abhängig sein, sondern statt dessen auf den angebornen, uneingeschränkten Wert der ganzen Realität vertrauen – dazu gehören alle Lebewesen, Dinge und Menschen, auch du selbst. Indem du zu deiner eigenen Ganzheit zurückfindest, überwindest du dein Bedürfnis nach Selbstwertgefühl und bist einfach bereit, die Wohltaten und Chancen, die das Leben dir bietet anzunehmen – ob du sie nun verdient zu haben glaubst od nicht.






Wenn ich mich darauf konzentriere zu erhalten, was mir zusteht, werde ich immer enttäuscht sein,


aber wenn ich darauf achte, was ich jetzt in diesem Augenblick bereits alles bekomme, und mich dann bemühe,


es den Menschen in meiner Umgebung zu vergelten, habe ich eine ehrliche Chance, Erfüllung zu finden.


DavidK.Reynolds






Die Realität ist: Manchmal verhalten wir uns gut gegenüber unseren Mitmenschen, manchmal herzlos, manchmal ehrlich und manchmal weniger ehrlich. Manchmal geben wir ihnen etwas, doch viel häufiger sind wir die Nehmenden. Indem du deinen eigenen Schatten erleuchtest, wirst du auch Mitgefühl für die Schwächen, Illusionen und Schattenseiten anderer Menschen aufbringen können.






Nun, da du die Tür zu deinem persönlichen Schattenbereich geöffnet hast, bist du bereit, die Schatten deiner Sexualität zu akzeptieren und zu erleuchten.