12.Dienen+13.Erleuchtung

Das zwölfte Tor




Diene deiner Welt



Dienen ist eine innere Haltung, die auf der Erkenntnis beruht, dass die Welt dich trägt, ernährt, belehrt und auf die Probe gestellt hat, ob du es nun verdient hast od nicht.

Sobald du diese einfache Wahrheit begreifst, wirst du alles tun, was du kannst, um ihr diese unendliche Dankesschuld zurückzuzahlen. Dienst ist Mittel und Zweck zugleich – denn wenn du deinen Mitmenschen etwas gibst, öffnest du dich für Liebe, Fülle und inneren Frieden.

Du kannst anderen Menschen nicht dienen, ohne dich dadurch gleichzeitig selbst zu erhöhen.



Der Kreis des Lebens schliesst sich



Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, glücklich zu sein,

sondern etwas auszurichten, produktiv und nützlich zu sein –

damit du am Ende mit deinem Leben etwas bewirkt hast.

LeoRosten



Landkarte:

Aktive Erleuchtung



Wir kommen nun zum letzten Tor, zur letzten Stufe auf der Treppe, die zu deiner Seele führt. Du bist am Ende einer Reise angelangt, die dich auf den höchsten Weg der Erleuchtung im Alltag vorbereiten soll.



Was es bedeutet, anderen Menschen zu dienen, erfuhr ich zum 1.Mal als Turner am College. Anfangs war ich hauptsächlich mit mir selbst beschäftigt – mit meinen Fortschritten, meinem Körper, meinen Problemen – bis ich merkte, dass es mir noch viel mehr Spass machte, anderen beim Lernen neuer Übungselemente zu helfen, als diese Bewegungen selbst zu erlernen. Wenn ich mir eine Fähigkeit aneignete, nützte ich damit nur einem einzigen Mensche; wenn ich anderen diese Fähigkeit beibrachte, profitierten viele davon. Damals wusste ich es noch nicht – doch diese zufällige Entdeckung, wieviel Befriedigung es einem schenken kann, anderen Menschen zu helfen, war der Beginn meiner Laufbahn als Lehrer.



Viele Jahre später – nachdem ich lange Zeit nach persönlicher Erleuchtung gesucht hatte – verlagerte der Schwerpunkt meiner Aufmerksamkeit sich wiederum: Ich begann nicht mehr nur für mich selbst, sondern für andere Menschen zu lernen. Da traten plötzlich überdurchschnittliche Lehrer in mein Leben, und es öffneten sich Tore in meinem eigenen Inneren und in der Welt.



Wenn wir unser eigenes Ich den Bedürfnissen anderer Menschen unterordnen, werden wir alle zu Helden. Es gibt unzählige Möglichkeiten, auf dieser Welt etwas zu bewirken – man kann zB einem Menschen in Not helfen, sich bücken, um ein Stück Papier von der Strasse aufzuheben, od anderen Menschen seine Begabungen und seine Energie zugute kommen lassen – denn das bedeutet es, ein Mitglied der menschlichen Familie zu sein. Wenn du jeden Kontakt mit anderen Menschen – im Lebensmittelladen, im Kaufhaus, bei der Bank od beim Friseur – als Chance betrachtest, dazu beizutragen, dass der andere sich hinterher ein bisschen besser fühlt, dienst du deiner Welt. Das ist aktive Erleuchtung.



Ich wiederhole noch einmal: Du bist nicht auf der Welt, um mit deinem höheren Selbst Kontakt aufzunehmen; du bist hier, um es zu werden. Und es gibt keinen sichereren od erhabeneren Weg, den Mut und die Liebe deines höheren Selbst zum Ausdruck zu bringen, als aufopfernden Dienst an anderen. Den Menschen in deiner Umgebung voller Liebe zu dienen, wird zu einer Form der Erleuchtung im Alltag.



Wenn du entdeckst, wieviel Freude es macht, etwas für andere zu tun, kann dein Leben sich von Grund auf verändern, und es kann auch sein, dass du dann plötzlich zu sehr viel Geld kommst. Aber das wird dich nicht mehr interessieren, als Mutter Teresa darüber nachdachte, ob ihre Haare gut od schlecht frisiert waren, wenn sie sich um die Kranken, Blinden od Lahmen kümmerte. Du wirst viel zu sehr damit beschäftigt sein, auf dieser Welt etwas Positives zu bewirken, am ewigen Kreislauf des Lebens teilzuhaben.



Ich möchte in diesem Kapitel zunächst einmal den scheinbaren Widerspruch zwischen der Arbeit an der eigenen Entwicklung und dem Dienst an anderen Menschen auflösen. Dann folgen:



 Ein paar Betrachtungen über das Geschenk des Lebens;

 Antworten auf die Frage, wie man seine Berufung findet;

 Und wie man sein Geld in Dinge investieren kann, die einem wirklich am Herzen liegen

 Und einige Beispiele dafür, dass man mit kleinen Gesten oft schon sehr viel bewirken kann.



In diesem Kapitel wirst du immer wieder lesen, wie Menschen völlig Fremden etwas Gutes getan haben. Das soll dich daran erinnern, in deinem eigenen Leben ähnliche Beispiele zu erschaffen, und auch anderen Menschen von solchen Begebenheiten zu erzählen



Was bedeutet Dienst eigentlich?

Von LynneTwist



Die meisten Menschen halten Dienst an anderen für eine Art Mildtätigkeit – dass die Starken den Schwachen, die Gesunden den Kranken, die Reichen den Armen, die stabilen Menschen den instabilen etwas geben.

Für mich ist wahrer Dienst ein Erlebnis der Ganzheit und Erfüllung, der Selbständigkeit, des Selbstvertrauens und inneren Reichtums für alle Beteiligten – eine Erfahrung der Erhabenheit und der unendlichen Fähigkeit des Menschen. Wenn ich wirklich diene, verschwinde ich selbst dabei völlig. Ich habe keine Identität mehr. Ich werde eins mit der Person od Sache, der ich diene. Eigentlich ist es eine Erfahrung Gottes, der Einheit und Ganzheit. Es gibt dabei keinen Gebenden und keinen Nehmenden, sondern nur dieses Erlebnis der Einheit. Wir beginnen zu erkennen, dass wir alle Ausdruck einer einzigen Seele sind.

Ein Akt des Dienstes ist gleichzeitig auch ein Akt der Liebe und des Vertrauens. Und ein Akt der Verantwortung und des Mutes… ein Eintreten für die Integrität des menschlichen Lebens.



Test:

Dienst als innere Einstellung – ein paar Anregungen zum Nachdenken



Solange deine Aufmerksamkeit, deine Energie und dein Herz nicht frei sind, ist Dienst für dich nur eine soziale Verpflichtung od ein Versäumnis, dessen du dich schuldig fühlst. Oder vielleicht weißt du den Dienst, den du der Welt bereits leistest – auf ganz alltägliche Weise, zu Hause od bei der Arbeit – einfach nur nicht richtig zu schätzen. Denke einmal über folgende Fragen nach, in denen es um deine innere Einstellung zum Dienen geht:



1. Wenn du den Satz „Diene deiner Welt“ hörst od liest, welche 5 Worte fallen dir dann als erstes ein? (Sprich sie ganz schnell vor dich hin, und zwar gleich jetzt.)

2. Leistest du irgendeinen freiwilligen Dienst? Warum? Warum nicht?

3. Zähle ausser dem Dienst, den du normalerweise bei der Arbeit od zu Hause leistest, noch 3 verschiedene andere – grosse od kleine – Dienstleistungen auf, die du in den letzten 24Stunden erbracht hast.

4. Wie würdest du deine Zeit verbringen, wenn du finanziell unabhängig wärst?

5. Und wofür würdest du dann dein Geld ausgeben?

6. Hilfst du anderen Menschen, wenn es dir eigentlich gerade gar nicht in den Kram passt?

7. Hilfst du anderen Menschen, wenn du es gerade einrichten kannst?

8. Was für ein Gefühl hattest du, nachdem du einem anderen Menschen einen guten Dienst geleistet hattest?

9. wenn du jemandem einen Gefallen tust, erwartest du dann einen Dank dafür? Könnte es auch sein, dass eigentlich eher du derjenige bist, der zu danken hat?

10. Zähle 3 deiner besten Leistungen auf, und dann greife eine davon heraus. Fallen dir mindestens 10 Leute ein, die dir mit ihren Fähigkeiten od Dienstleistungen dabei geholfen haben? (Es sind viel mehr als 10)

11. Ob du nun dafür bezahlt wirst od nicht – deine Arbeit auf dieser Welt ist eine Form des Dienstes. Welchen Dienst würdest du auf der Welt am liebsten leisten? Was hast du bisher getan, um diesen Wunsch in die Tat umzusetzen?



Diese Fragen sollen dir als Einsteig in eine neue Form des Lebenserfahrung dienen und das 12.Tor in deiner Seele öffnen. Als nächstes wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, worin der höchste Sinn und Zweck des menschlichen Lebens bestehen könnte.



Von Selbsthilfe und der richtigen Hebelwirkung



Soziale Aktivisten behaupten, in der wirklichen Welt müsse man seine Anstrengungen und Energien darauf konzentrieren, anderen Menschen zu helfen – man müsse politisch aktiv sein und versuchen, Frieden zwischen den Völkern zu stiften. Mystiker hingegen sagen, dass wir keinen Frieden auf der Welt finden werden, wenn wir ihn nicht in unsrem eigenen Inneren entdecken.



Vor Jahren habe ich einmal etwas erlebt, was diesen scheinbaren Konflikt zwischen sozialem Aktivismus und Innenschau für mich löste. Es geschah in einer Zeit, in der ich sehr intensiv an meinem eigenen spirituellen Wachstum arbeitete – mit Meditation, Gebet, Kontemplation, Visualisierungen, Körperarbeit und Selbstanalyse. Als ich eines nachmittags mit einem alten Mann namens „Socrates“ (siehe „Der friedvolle Krieger“ von DanMillman) spazieren ging, entdeckten wir mehrer grosse Plakate an der Seitenwand eines Gebäudes. Auf einem waren die abgehärmten Gesichter hungernder Kinder zu sehen; das nächste war ein Aufruf, den unterdrückten Menschen auf er ganze Welt zu helfen; das 3. stellte die Misere bedrohter Arten dar.



„Weißt du, Socrates“, sagte ich und zeigte auf die Plakate, „eigentlich habe ich ein schlechtes Gewissen. Es kommt mir so egoistisch vor, dauernd an mir selbst zu arbeiten, wo es doch so viele Menschen gibt, die in Not sind …“

Da blieb Socrates plötzlich stehen, wandte mir sein Gesicht zu und sagte: „Hau’ mir eine.“

„Was soll das heissen: Hau mir eine? Hast du nicht verstanden, was ich gesagt habe?“

„Na los“, stachelte er mich an und bewegte sich wie ein Boxer. „Du kriegst 5$ von mir, wenn du es schaffst, mir eine zu knallen.“

Ich hielt das für eine Art Test, also holte ich aus – und fand mich ein paar Sekunden später auf dem Boden wieder. Socrates hielt mein Handgelenk in einem schmerzhaften Drehgriff umklammert. Während er mir wieder auf die Füsse half, erklärte er mir den Sinn dieser Übung: „Hast du gemerkt, wie wichtig die richtige Hebelwirkung sein kann?“

„Oh ja“, sagte ich und schüttelte mein schmerzendes Handgelenk, „Das habe ich gemerkt.“

„Ehe du anderen Menschen helfen kannst, musst du sie erst einmal verstehen. Und ehe du sie verstehen kannst, musst du dich selbst begreifen. Erst dann weißt du, wo du am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Hebel ansetzen kannst. Je mehr Klarheit und Mut du in deinem Handeln zeigst, umso mehr wirst du in Bewegung setzen.“



„Gott hilft denjenigen, die sich selbst helfen.“

BenjaminFranklin



Erleuchteter Alltag ist ein Selbsthilfebuch in besten Sinn des Wortes: Es kann dir nämlich helfen, den Mut und die Willenskraft zu entwickeln, anderen Menschen zu helfen. Wenn du über deine eigenen Grenzen und Neigungen hinauswächst, wirst du dich deinen Mitmenschen gegenüber automatisch gütig und barmherzig verhalten. Wenn dein eigenes Licht heller scheint, erleuchtest du damit die ganze Welt.



„Wenn ich nicht für mich selbst da bin, wer soll es dann sein?

Aber wenn ich nur für mich selbst da bin, was bin ich dann?

RabbiHillel



Wenn du immer nur dir selbst hilfst und ausschliesslich an dich denkst, verlierst du den Kontakt zu menschlichen Familie und zerreisst den Stoff, in dem du selbst ein kleiner Faden bist. Wenn du dagegen immer nur anderen Menschen dienst und dir selbst dabei fremd bleibst, ist dein Dienst nur Isolation und Pflichterfüllung, der keine heilende Kraft innewohnt.



Wie willst du dein Leben verbringen?



Millionen von Menschen auf dieser Welt haben genug Geld verdient od geerbt, um nie wieder für ihren Lebensunterhalt arbeiten zu müssen. Manche von ihnen widmen einen Teil ihrer Zeit und Begabung irgendeinem kreativen Dienst an der Welt. Andere, die vielleicht ihren Schatten noch nicht erkannt od ihr Herz noch nicht erweckt haben, beschäftigen sich nur mit sich selbst, vertrödeln ihre Zeit mit Vergnügungen, esoterischen Amüsements, Reisen und dem Sammeln sinnlicher Erfahrungen; sie spielen mit ihrer Macht, ihrem Status und Einfluss. Solche Menschen sind auf dem falschen Weg und brauchen unser Mitgefühl dringender als unangebrachten Neid od vorschnelle Werturteile. Ihr nackter Schmerz, übertüncht durch den äusseren Glanz von Reichtum und Macht, wird sie früher od später doch zu irgendeiner Form des sinnvollen Dienstes hinführen.



Es muss doch noch etwas Wichtigeres im Leben geben, als alles zu haben!

MauriceSendak



Millionen von Menschen werden in eine Kultur der Armut hinein geboren. Sie sind voll und ganz mit dem Kampf ums Überleben beschäftigt, müssen sich ständig mit Sorgen herumquälen und stehen zusätzlich auch noch unter dem Druck ihrer Partnerbeziehungen. Solche Menschen besitzen nicht die Freiheit, über die Bedeutung des Dienstes an der grösseren Welt auch nur nachzudenken. Für sie ist Gott Brot und Dienst ist der Kampf, einen neuen Tag, ein neues Jahr zu überleben. Sie können nicht einmal davon träumen, so viel zu haben, dass sie es mit anderen Menschen teilen könnten. Doch auch diese Menschen werden durch ihre Lebensumstände dazu gebracht, Opfer zu bringen und zu dienen, indem sie ihre Familien ernähren und um des gemeinsamen Wohls willen zusammenhalten.



So führen die verschlungenen Wege von Armut und Reichtum beide zum Dienst – genau wie alle Wege des Lebens.



Liebe – und dann tue, was du willst



Sobald du in physischer und spiritueller Hinsicht alles besitzt, was du brauchst, und genügend freie Aufmerksamkeit, Selbstwertgefühl und Willenskraft hast, um deinen Körper in ausgewogenem, energiegeladenen Gleichgewicht zu halten; sobald du dich über die Stürme deines Denkens und deiner Emotionen erhoben hast und auf deine Intuition vertraust, deinem Schatten und deinen Ängsten ins Auge siehst, deine Sexualität und dein Menschsein akzeptierst und dein Herz erweckst – bleibt dir gar nichts anderes mehr zu tun übrig, und es gibt dann auch nichts, was dein Leben mit mehr Sinn od Freude erfüllen könnte als der schlichte Dienst an der Welt.



Was du bist, ist Gottes Geschenk an dich. Was du daraus machst, ist dein Geschenk an Gott

AnthonyDallaVilla



In Anbetracht der Tatsache, dass kein Mensch jemals alle 12 Tore perfekt meistert und dass die Arbeit an jedem einzelnen Tor zur Bewältigung aller anderen beiträgt, frage dich nun einmal: Wie könnte ich beginnen, meine Energie, meinen Begabungen, mein Herz mit meinen Mitmenschen zu teilen? Was würde ich gerne tun, wenn ich bereits ein ganzer, vollkommener Mensch wäre? Wie würde ich meine Zeit, mein Leben verbringen? Wofür würde ich meine Energie investieren? Was wären meine Prioritäten?



Auch wenn wir selbst erst noch den Berg hinaufsteigen – und uns manchmal auch hinaufquälen müssen – können wir anderen Menschen trotzdem beim Aufstieg helfen. Sobald wir die Realität begreifen, dass wir selbst für unser Leben verantwortlich sind, erkennen wir auch, dass wir im weitesten Sinne für unsere ganze menschliche Familie Verantwortung tragen.



Das Geschenk des Lebens



Stelle dir mal ein paar Sekunden lang vor, dass du durch eine seltsame Wendung des Schicksals eines Morgens als politischer Gefangener eines unbekannten Landes aufwachst. Um Mitternacht soll deine Hinrichtung stattfinden. Du blickst durch die Gitterstäbe deines Gefängnisses auf die ersten Strahlen deines letzten Sonnenaufgangs. Das Krähen eines Hahnes in der Ferne klingt in deinen Ohren wie süsse, ergreifende Musik. Du bist gierig nach jedem Augenblick, jedem Geräusch, jedem Geschmack und jedem Geruch. Während die Schatten draussen allmählich immer länger werden, isst du deine Henkersmahlzeit. Und bei Sonnenuntergang nimmst du endgültig Abschied vom Licht des Tages, denn du wirst nie wieder die Sonne aufgehen sehen. Jede Minute, die vergeht, bringt dich deinem letzten Lebewohl, deinem letzten Gebet und schliesslich deinem letzten Atemzug näher.



Irgendwann kommt für uns alle der letzte Tag. Vielleicht wissen wir es im voraus, wenn das Ende naht, weil es gesundheitlich mit uns bergab geht, weil wir alt sind od an einer unheilbaren Krankheit leiden. Oder wir haben nur ein paar Sekunden Zeit, uns darauf vorzubereiten – od gar keine.



Wie viele Menschen würden, wenn der Sensemann kommt, gern rufen: „Halt! Noch nicht! Nur noch einen Augenblick, bitte! Gönne mir noch einen köstlichen Atemzug! Lass mich die Menschen, die ich liebe, nur noch ein einziges Mal sehen, hören, berühren! Bitte warte! Nur ein paar Sekunden!“



Jetzt ist es an der Zeit zu sehen, zu hören und zu berühren – dem Leben unser Bestes zu geben, solange wir es noch können. Wieviel Zeit wir dazu haben, weiss niemand. Eigentlich ist das ganze Leben ein Nahtoderlebnis.



Denke nur einmal daran, wie wir aus dem Nichts heraus hierher kommen, als Mikroskopisch kleine Flecken auf einem winzigen blaugrünen Ball, der sich durch die Unendlichkeit von Zeit und Raum bewegt. Unser Leben ist nur ein kurzer, flüchtiger Augenblick. Jeder Mensch ist nur eine kleine Zelle von Milliarden Zellen auf diesem Planteten, und doch streben wir danach zu lieben, zu dienen, Sinn und Erfüllung zu finden, solange wir leben. Das Leben ist eine heldenhafte Odyssee.



Darüber nachzudenken, wie wir hierher gekommen sind, ist ebenso aussichtslos, wie wenn man herausfinden wollte, wo der Weltraum aufhört. Wir finden keine Antwort auf diese Frage, nur ehrfürchtiges Staunen und Dankbarkeit dafür, dass man uns hierher eingeladen hat. Wenn wir uns ausrechnen, wie viele Wohltaten wir auf dieser Erde schon empfangen haben, regt sich automatisch der Wunsch in uns, etwas davon zurückzugeben. So beginnt der Weg des Dienstes, das Tor zur Freude, und wir ernten die Früchte unserer Reise.



Der Sinn des Lebens besteht darin, ein sinnvolles Leben zu führen.

RoberByrne



Folge deine Herzen und finde deine Berufung



Wenn du – sei es durch Zufall od durch Absicht und bewusste Vorausplanung ö den Drang in dir verspürst, anderen Menschen zu helfen, stehst du als nächstes vor der Frage: Wie kann ich meinen Mitmenschen am besten dienen? Genau wie wir nach einem Beruf suchen od zufällig darauf stossen, finden wir auch Möglichkeiten, auf dieser Welt etwas zu bewirken.



Einige Leute schrieben mir, ich solle Gefängnisinsassen mein Training des friedvollen Kriegers beibringen. Wieder andere meinen, dass ich am meisten Gutes tun könnte, wenn ich Führungskräfte schule od Seminare für Männergruppen abhalte. Ich habe auch tatsächlich schon mit Gefängnisinsassen und Führungskräften und Jugendlichen und Männergruppen zu tun gehabt. Doch meine Berufung besteht darin, mit Menschen aus allen sozialen Schichten zu arbeiten, denen meine Bücher, Vorträge und Kassettenprogramme etwas sagen. Andere Menschen mögen sich dazu berufen fühlen, mit Gefängnisinsassen, Kranken od Sterbenden, Jugendlichen od Managern zu arbeiten. Jeder muss seiner eigenen Mission und seinem eigenen Herzenswunsch folgen, statt sich vom Diktat der Verpflichtung od des Schuldgefühls leiten zu lassen. zB ist es äusserst unwahrscheinlich, dass Mutter Teresa jemals morgens aufgestanden ist und sich sagte: „Oh, verdammt, jetzt muss ich wieder zu diesen Aussätzigen.“ Im Gegenteil: Sie hat gesagt, dass sie in jedem Menschen, dem sie dient, das Antlitz Jesu Christi sieht.



Finde eine Form des Dienstes, die dich anspricht, die deinen Fähigkeiten und Begabungen, deinem Charakter und deinen Interessen entspricht, bei der dir die Zeit wie im Flug vergeht, die deine höchsten Energien und Bemühungen in dir zutage fördert – eine Aufgaben, die dir sagt, dass du zu Hause angekommen bist und zu dir selbst gefunden hast.



Dienst und Selbstwertgefühl



Beim letzten Tor schliesst sich der Kreis dieses Buches, und zwar insofern, als der Dienst an der Welt die beste Möglichkeit ist, sich ein fundiertes Selbstwertgefühl aufzubauen. Dieses Selbstwertgefühl kann sich , wie du inzwischen weißt, auf alle Bereiche deines Lebens positiv auswirken – so sehr, dass es sogar fraglich ist, wer dem anderen mehr zu Dank verpflichtet ist: derjenige, der den Dienst empfängt, od derjenige, der ihn leistet.



Wie man anderen Menschen dienen kann



Wenn du dich fragst, wie du anderen helfen kannst, solltest du dich vielleicht einmal nach einer wohltätigen Organisation in deiner Gegend umsehen, die freiwillige Helfer akzeptiert. So etwas gibt es in allen grösseren und kleineren Städten. Viele dieser Vereine und Organisationen können sogar nur aufgrund ihrer freiwilligen Mitarbeiter existieren. Sie brauchen deine Hilfe und werden sich sehr darüber freuen. Du könntest zB.:



 Bei einer Umweltorganisation mitarbeiten;

 Alte Menschen in Heimen besuchen;

 Junge Menschen in Freizeitzentren betreuen od als freiwilliger Helfer soziale Einrichtungen unterstützen;

 Bei einem Telefondienst für Selbstmordgefährdete mitwirken;

 Ein Obdachlosenheim od Frauenhaus anstreichen, instand setzen od tapezieren;

 Dich an der Hausaufgabenbetreuung einer Schule beteiligen;

 Aushilfsweise in einem Hospiz od Krankenhaus mitarbeiten;

 Oder dir selbst etwas ausdenken, wie du anderen Menschen dienen und helfen kannst (denn diese Liste ist nur die Spitze des Eisbergs).



In vielen deutschen Städten gibt es heute Freiwilligen-Zentren, die Interessenten als ehrenamtliche Helfer an verschiedene Institutionen weitervermitteln. Ausserdem kann man im Internet od in Stadtbibliotheken Adressen von Organisationen finden, die freiwillige Helfer suchen. Manchmal entwickelt sich aus so einer ehrenamtlichen Mitarbeit sogar eine berufliche Karriere, od sie kann dir zumindest helfen, dir über die berufliche Richtung klar zu werden, die du einschlagen möchtest. Und gleichzeitig tust du dabei auch noch etwas für andere Menschen.



Schon ein so einfacher Akt wie das Überreichen eines Geschenks erhöht den Serotoninspiegel in deinem Blut und setzt Endorphine (körpereigene Opiate) frei, die dich in eine natürliche Hochstimmung versetzen – du fühlst dich high und das ganz ohne Drogen. Vielleicht erklärt das die Bemerkung meines Freundes, der wütend auf sein höheres Selbst ist, „weil es immer high ist – und mich ganz allein da unten auf der Erde lässt“.



Investiere dein Geld in Dinge, die dir am Herzen liegen



Ist es besser, zu Hammer und Nägel zu greifen und freiwillig beim bau eines Hauses mitzuhelfen od aber Geld zu spenden, damit professionelle Handwerker das Haus bauen können? Die Antwort lautet: Beides ist eine wertvolle Hilfe. Um ein Haus zu bauen, musst du Zeit und Energie investieren – um das Geld für den Scheck zu verdienen, den du ausschreibst, aber auch. Und wenn du mit deinem Geld dazu beiträgst, dass das haus von Profis gebaut werden kann, wird es vielleicht schneller fertig und ist von besserer Qualität, als wenn du selbst in deiner Freizeit beim Bauen mithilfst.



Geld kann eine sehr sinnvolle Möglichkeit sein, anderen Menschen einen Dienst zu leisten. Geld für ein Obdachlosenheim zu spenden ist (vom Standpunkt des Spenders aus betrachtet) vielleicht nicht so befriedigend, wie wenn man selbst in den Arbeitskittel schlüpft und gemeinsam mit anderen Menschen die Wände anstreicht; doch für diejenigen, die die Spende erhalten, ist das Geld sehr wichtig. Frage nur einmal bei einer wohltätigen Organisation nach, wie wichtig ihre Spender für sie sind. unzählige solcher Vereine schreien verzweifelt nach finanzieller Hilfe. Nur wenige können allein von freiwilliger Mitarbeit existieren, so dankbar sie dafür auch sein mögen – ohne das Herzblut der finanziellen Spenden wäre ihre Arbeit nicht möglich.



Die Menschen, denen ihre Saat der Kreativität, Intelligenz, Findigkeit und Mühe eine reiche Ernte eingebracht hat, können durch wohltätiges Engagement auf der Welt sehr viel bewirken. Wenn man viel Geld verdient, besteht eine der grössten Freuden darin, es mit anderen zu teilen – nicht, weil man das tun muss od sollte, sondern weil man begriffen hat, dass alle Wesen auf dieser Welt miteinander in Verbindung stehen, und sich über die Chance freut, seine Liebe und sein Mitgefühl durch handeln zu zeigen.



Wohin mit dem Geld?



Woher weißt du, wo dein am meisten Gutes tun kann? Ist es besser, nur od hauptsächlich für eine einzige wohltätige Organisation zu spenden od sein Geld auf viele verschiedene Organisationen zu verteilen? Soll man sich für die Armen, für die Umwelt, für Menschenrechte od die medizinische Forschung einsetzen, sich auf regionale, nationale od internationale Organisationen konzentrieren? Soll man jedes Jahr der gleichen Organisation spenden od öfter einmal wechseln? Was ist besser: jemandem, der sich das sonst nicht leisten könnte, ein Studium zu ermögliche od den Ärmsten der Armen Nahrung und Obdach zu verschaffen?



Ich würde gar nicht erst versuchen, all diese vielen quälenden Fragen zu beantworten – aber ich weiss, was für ein schönes Gefühl es ist, eine helfende Hand auszustrecken, wenn man mit dieser Hand bedürftigen Menschen finanzielle Unterstützung bieten kann.



Wenn du eine Million $ zu verschenken hättest, wie könntest du mit diesem Geld wohl am meisten Gutes tun? Sicher nicht, indem du einer Million Menschen je einen $ schenkst. Auch 100'000 Menschen jeweils 10$ zu geben, würde nicht viel bewirken. Und wenn du 10'000 Leuten einen 100$ Schein in die Hand drücktest, würdest du zwar wahrscheinlich viele strahlende Gesichter sehen, aber das Geld wäre bald wieder ausgegeben. Gäbest du 1000 Menschen jeweils 1000$ würde das für diejenigen, die das Geschenk klug zu nutzen wissen, schon eher einen Unterschied machen. Wenn du 100 Leuten 10’000$ schenkst, erreichst du mit deinem Geschenk zwar wenige Menschen, aber dafür kannst du damit tatsächlich etwas bewirken – vielleicht hilfst du einer Familie, ihre Schulden abzuzahlen od ihre Kinder aufs College zu schicken. Und wenn du deine Million durch 10 teilst – das heisst, 10 Menschen jeweils 100’000$ zukommen lässt – kannst du ihr Leben damit von Grund auf verändern.



Wenn du viel hast, gibt anderen von deinem Reichtum;

wenn du wenig hast, gib anderen von deinem Herzen.

Arabisches Sprichwort



Kleine Gesten können viel bewirken



Als freiwilliger Helfer bei einer wohltätigen Organisation mitzuwirken, ist eine Möglichkeit, deiner Welt zu dienen. Aber du kannst auch im täglichen Leben viele kleine Dinge tun, die eine grosse spirituelle Bedeutung haben: zB ein paar freundliche Worte zu einem Fremden, ein schriftliches Dankeschön an einen Kellner od Briefträger od einfach nur die Tatsache, dass du auf der Strasse jemanden vor dich in deine Spur einfahren lässt. Solche Dinge gehören zu den wichtigsten Formen des Dienstes an anderen Menschen im täglichen Leben.



Diese kleinen Dienste bewirken nicht nur viel für andere, sie transformieren auch unser eigenes Leben. Denn mehr noch als persönliches Glück brauchen wir sinnvolle Ziele, ein Gefühl von Verbundenheit, und dieses Gefühl entsteht durch die kleinen, alltäglichen Handlungen des Dienstes.



Es gibt viele kleine Dinge, die jeder tun kann, um einem anderen Menschen weiterzuhelfen od ihn in bessere Stimmung zu versetzen – zB:



 Freiwillig mehr für eine Dienstleistung bezahlen als berechnet wurde

 Einem Kellner, Briefträger, Müllmann, Bankangestellten, Gärtner od anderen Menschen brieflich für eine besondere Dienstleistung danken

 Eine Münze in eine abgelaufene Parkuhr stecken.

 Einem Menschen, der Hunger hat, ein Sandwich kaufen

 Abfälle von der Strasse aufheben

 Das Waschbecken in einer öffentlichen Toilette reinigen, nachdem du es benutzt hast

 Geld spenden – entweder unter Nennung deines Namens od anonym

 Wenn du Kino- od Theaterkarten besorgst, ein paar zusätzliche kaufen und sie jemandem schenken

 Absichtlich an deiner Parklücke vorbeifahren und sie dam Fahrer hinter dir überlassen (dann merkt der andere nicht einmal, dass du ihm einen Gefallen getan hast)

 Die spirituellen Sinnesübungen praktizieren, die du am 11.Tor gelernt hast – aus dem Herzen heraus sprechen, sehen, berühren und zuhören

 Jedes Jahr für 100 CHF Gutscheine für einen Besuch im Kino od Café, für Bücher od Süssigkeiten kaufen, die du dann entweder aufs Geratewohl verteilst od Menschen schenkst, die dir irgendeinen Dienst leisten

 Menschen, denen du begegnest, stumm (od laut) segnen, sie herzlich grüssen od einfach nur anlächeln



Es gibt zwar Menschen, die sich übertrieben wichtig vorkommen, doch die meisten halten sich nicht für wichtig genug. Wir vergessen, dass andere Menschen uns beobachten, von uns lernen und sich durch unser Beispiel beeinflussen lassen. Nur wenige von uns begreifen wirklich, wie man mit ein paar netten Worten, einem Dankesbrief, einem Lächeln od indem man Abfall von der Strasse aufhebt, andere Menschen ermuteigen, ihre Laune verbessern od vielleicht sogar ihren Tag retten kann. Und wer weiss – vielleicht rette man damit sogar ein Leben.

__________________________________________________________________________________

__________________________________________________________________________________

__________________________________________________________________________________